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„War es Schlamperei oder Absicht?“

Der Kanzleramtsminister: Nicht nur Leuna-Akten lückenhaft

Fünf Polizeibusse standen bereits vor der Katholischen Akademie in Berlin-Mitte, als die Mitglieder des Bundestags-Untersuchungsausschusses „Waffenhandel und Parteispenden“ zu ihrer ersten öffentlichen Sitzung eintrudelten. Die Kamerateams stützten sich auf Kanzleramtsminister Frank Steinmeier, der als erster Zeuge geladen war. Er sollte über die verschwundenen Akten zur Privatisierung der Raffinerie Leuna/Minol Auskunft geben.

Der Ausschuss beschäftigt sich mit dem Verkauf, weil der Verdacht besteht, dass dabei Schmiergelder an die CDU geflossen sind. „Ein infames Beschuldigungsszenario“ habe die SPD da aufgebaut, schimpfte der stellvertretende Ausschussvorsitzende Hans-Peter Friedrich, CSU. Die SPDler unterstellten, dass die Regierung Kohl die Akten absichtlich habe verschwinden lassen. Das sei völlig abwegig, denn: „Warum sollte jemand die Akten beseitigen, obwohl es doch Kopien gab?“

Doch ganz so einfach ist es nicht. Kanzleramtsminister Steinmeier hatte zuvor berichtet, dass sechs Aktenordner im Jahr 1994 vom Treuhand-Untersuchungsausschuss ans Bundeskanzleramt zurückgeleitet wurden und dann dort „verschwanden“. Die Mitarbeiter des damaligen Kanzleramtsministers Friedrich Bohl, CDU, füllten daraufhin sechs Ordner mit Kopien auf. Steinmeier sagte vor dem Untersuchungsausschuss, es gebe Hinweise darauf, dass die Kopien nicht komplett seien. Außerdem sei ein weiterer Aktenordner zwar registriert, aber bis heute „unauffindbar“. Von den darin enthaltenen Dokumenten gebe es auch keine Kopien. Steinmeier geht davon aus, dass noch viel mehr Akten fehlen: Der Bestand sei deutlich geringer, als er erwartet habe. Von 1994 bis 96 gebe es zum Beispiel fast keine Unterlagen. Dies wundere ihn sehr, da der Verkauf von Leuna/Minol „von immenser Tragweite war und im Bundeskanzleramt als Chefsache begleitet wurde“. Steinmeier ergänzte eine weitere Merkwürdigkeit, die darauf schließen lasse, dass Akten verschwunden sind: Ausgerechnet die spezielle Registraturkarte, auf der der gesamt Bestand aufgelistet war, ist unauffindbar. Die sei „ein einmaliger Vorgang“.

Steinmeier berichtete, dass der Aktenbestand auch zu den anderen Komplexen unvollständig sei. Zur Entscheidung über die Panzerlieferung an Saudi-Arabien, die Verkäufe von Hubschraubern und Flugzeugen nach Kanada und Thailand und dem Verkauf der Eisenbahner-Wohnungen. Einzelne Dokumente seien nur „zufällig“ gefunden worden. So etwa Briefe des Waffenhändlers Schreiber.

Auf die Frage: „War es Schlamperei oder Absicht?“, sagte Steinmeier, bislang gebe es keine Beweise dafür, dass die fehlenden Akten vorsätzlich vernichtet wurden. „Die Lücken bringen jeden zum Nachdenken.“ Es gebe aber keine Belege dafür, dass Kanzleramtsminister Bohl etwas vom Verschwinden der Ordner erfahren habe. Dennoch gehe er davon aus, dass der oberste Chef des Amtes über diesen „äußerst beunruhigenden Vorgang“ informiert wurde. Bereits im Mai 1997 sei das Fehlen der Ordner im Kanzleramt festgestellt worden. Tina Stadlmayer

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