: Zwischen Öko und Eso
■ In den Messehallen tobt die Ökologie: Die Messe „bewußt leben“ dauert noch das gesamte Wochenende an / Ökologiker und Esotheriker beschnuppern sich skeptisch
„Naturschutz kann Spaß machen“, meint Sönke Hofmann vom Bremer Naturschutzbund. Der Naturschutzbund (Nabu) hat für die erste Bremer Ökomesse „bewußt leben“ die ideelle Trägerschaft übernommen. Dem entsprechend sind die Naturschützer mit ihren Aktionsständen sogleich am Eingang der Messehallen 2 und 3 zu finden – dort wo dieses Jahr an die 50 Aussteller ihre ökologischen Produkte und Dienstleistungen vorstellen.
Die Spaß-Komponente springt auf jeden Fall den jungen BesucherInnen sogleich ins Auge. Im Rahmen der Nabu-KorKampagne, die zwecks Recycling zum Sammeln von Korken aufruft, gibt es Spielereien rund um den Naturstoff. Mit einem kräftigen „Plopp“ können Korken mit einer Luftpumpe auf eine Löcherwand geschossen werden. Und Kinder, die Lust auf ein Korkenbad haben, können sich per Rutsche in vier Kubikmeter Sektkorken gleiten lassen. Locker geht es auch am benachbarten Info-Stand der Grünen weiter. Hier gibt es ein Quiz mit „Acht Fragen für Nichtfachleute“. Als Hauptgewinn lockt ein Wochenende in einem Heuhotel – für Menschen ohne Heuschnupfen durchaus reizvoll.
Warum Lebensmittel aus dem Öko-Anbau besonders umweltverträglich sind, werden die QuizteilnehmerInnen gefragt. Etwa weil sie nur bei blauem Himmel ausgesät werden? Oder weil sie nicht gewaschen werden? Da geraten selbst Laien ins Schleudern. Immerhin können BesucherInnen aber auch etwas lernen. Wer weiß schon, dass zurzeit in Europa an die 30.000 Lebensmittel mit gentechnisch manipuliertem Soja hergestellt werden. Gleichzeitig lehnen laut Angaben der Grünen 70 Prozent aller VerbraucherInnen Gentechnik in Lebensmitteln ab.
Genfood ist ebenfalls Themenschwerpunkt am Greenpeace-Stand. Dort kann man erfahren, dass bereits seit 1996 genmanipulierte Sojabohnen aus den USA auch nach Europa importiert werden durften. Es handelt sich um die sogenannte „Roundup Ready-Sojabohne“ (RRS), die in den Labors des US-Chemiemultis Monsanto hergestellt wird. Da Soja ohne besondere Kennzeichnung in unzähligen Lebensmitteln enthalten ist, wissen die wenigsten VerbraucherInnen, ob sie nun gerade genmanipulierte Nahrung zu sich nehmen oder nicht.
Gesundheit und Natur stehen im Zentrum der Ökomesse. Die griffige Parole „bewußt leben“ deutet es an. Denn wer bewusst lebt, stellt an die Stelle des blinden Konsums den wohlüberlegten Umgang mit sich selbst und den natürlichen Ressourcen. Dass Gedankenlosigkeit oft krank machen kann, können BesucherInnen eindrucksvoll von den VertreterInnen des Bremer Umweltinstituts erfahren.
Seit zwanzig Jahren untersuchen die MitarbeiterInnen des Instituts Wohnungen und Häuser auf krankmachende Substanzen. Kopfschmerzen, Schwindel oder gar Appetitlosigkeit? Dafür gibt es häufig konkrete Ursachen. Zum Beispiel Pestizide im Teppich oder Formaldehyd in der Wohnraumluft. Wer sich also beim Renovieren und Einrichten der eigenen vier Wände zuvor über die ökologische Verträglichkeit der verwendeten Materialien informiert, tut etwas für das eigene Wohlbefinden – so die Message des Umweltinstituts.
Die Öko-Messe bietet im übrigen auch esoterisch veranlagten BesucherInnen das eine oder andere Bonbon. „Feng-Shui“ lautet eines der Zauberwörter. Wer immer schon mal den Gründen innerer Disharmonie auf die Spur kommen wollte, kann dies in Form einer Grundriss-Analyse des eigenen Wohnraums tun. Für den intensiven Blick des Feng-Shui-Beraters empfängliche Menschen werden entdecken, dass nur eine Veränderung ihres Lebensraums die blockierten Energieflüsse freisetzen wird.
Sönke Hofmann vom Nabu steht dieser Art von Messeteilnehmern eher skeptisch gegenüber. Wer an der Messe teilnehmen wollte, musste zuvor einen vom Nabu erarbeiteten Kriterienkatalog erfüllen – Aussteller, die einen leichtfertigen Umgang mit den Begriffen „Öko“ und „Bio“ pflegen, sollten keinen Zugang haben. Bleibt in der Tat die Frage, wieweit Esoterik zum bewussten Leben zählt. Tanja Voigt
Auch die taz ist auf der „bewußt leben“ in Halle 3 vertreten.
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