: Keine Milde für rechte Täter
Rainer Voss, der Vorsitzende des Deutschen Richterbundes, wehrt sich gegen Vorwürfe, die Justiz sei zu lasch. Doch besonders harte Urteile zur Abschreckung lehnt er ab
taz: Die Minister Schily, Däubler-Gmelin und Fischer haben am Wochenende einvernehmlich nach „harten Strafen“ für rechtsradikale Gewalttäter gerufen. Das klingt so, als sei die Justiz bisher zu lasch gewesen.
Rainer Voss: Ich gehe davon aus, dass man auch in Regierungskreisen weiß, dass die Justiz unabhängig ist. Deshalb sehe ich diese Äußerungen nicht als Ermahnungen oder gar Weisungen an die Richterschaft.
Vor drei Jahren hat der damalige Innenminister Manfred Kanther (CDU) ebenfalls härtere Strafen gefordert, vor allem bei Raub- und Sexualdelikten. Damals haben Sie deutlicher reagiert und klargestellt, dass es keinen „Kanther-Zuschlag“ bei der Strafbemessung gibt.
Damals wurde die Justiz auch massiv angegriffen, dass sie „zu lasch“ sei. Heute ist dieser Vorwurf dagegen allenfalls zwischen den Zeilen zu lesen.
Können Sie den Vorwurf denn nachvollziehen?
Nein, die Justiz muss tat- und schuldangemessen auf Straftaten reagieren, und das tut sie auch. Die Gewalttäter von Eggesin, die dort zwei Vietnamesen zusammengeschlagen haben, wurden zu vier bis sechs Jahren Haft verurteilt, trotz Anwendung von Jugendstrafrecht. Und die beiden 17- und 18-Jährigen, die versuchten, die Synagoge von Erfurt anzuzünden, erhielten Haftstrafen von zwei bis drei Jahren, ohne Bewährung. Das sind nun wirklich keine milden Urteile.
Der CDU-Politiker Heiner Geißler hat der Justiz nicht vorgeworfen, sie sei zu liberal. Vielmehr habe der Rechtsradikalimus sogar „einen langen Arm bis in die Gerichte hinein“.
Damit kann ich überhaupt nichts anfangen. Unsere Justiz ist nicht rechtsextrem unterwandert. Wenn Herr Geißler das so sieht, soll er Ross und Reiter nennen.
Wenn nun fast die gesamte Gesellschaft harte Strafen gegen rechte Gewalttäter erwartet, kann ein Richter dann noch frei und unabhängig urteilen, oder steigt das Strafmaß dann automatisch an?
Richter sind natürlich auch nur Menschen, und sie werden wie wir alle auch von den Zeitströmungen und gesellschaftlichenErwartungen beeinflusst. Auf der anderen Seite müssen Richter aber auch über der politischen Diskussion stehen. Sie müssen den Einzelfall gerecht entscheiden und dürfen nicht einzelne Täter zur bloßen Abschreckung besonders hart verurteilen. Ob ein Urteil angemessen war, kann eigentlich nur der beurteilen, der die gesamte Verhandlung im Gerichtssaal verfolgt hat.
Heute wird oft darauf hingewiesen, dass das gesellschaftliche Umfeld der rechtsextremen Täter diese oft noch bestärkt oder sich jedenfalls nicht offen an die Seite der Opfer stellt. Kann das als mildernder Umstand berücksichtigt werden?
Nein, natürlich nicht. Die Täter wissen auch, dass die Gesellschaft als Ganzes ihre Taten zutiefst missbilligt und verachtet. In diesem Sinne begrüße ich auch die aktuellen Aussagen der Politik.
Interview: CHRISTIAN RATH
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