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Nazi-Gedenken im Schifffahrtsmuseum

■ In einer „außergewöhnlichen“ Technik-Schau ehrt das Schifffahrtsmuseum einen U-Boot-Ingenieur der Nazis, in dessen Firma 250 Zwangsarbeiter litten / Empörung allerorten

Am Jahrestag der Mobilmachung zum Zweiten Weltkrieg, dem 26. August, gedenkt man im Deutschen Schifffahrtsmuseum in Bremerhaven in eine ganz andere Richtung: „Aus Anlass des 100. Geburtstages von Professor Hellmuth Walter“ lädt das Museum am Samstag um 11 Uhr zur Ausstellungseröffnung über die „Walter-U-Boote“ ein. Neben einer Begrüßung durch Museums-Mitarbeiter Lars Scholl stehen Grußworte der beiden Söhne Walters und eine Tauchvorführung mit einem Modell-U-Boot auf dem Programm. Über ein Erscheinen bei diesem „außergewöhnlichen Erlebnis“ würde sich das Museum freuen. Auch einen Text gibt es zur Ausstellung: „Hellmuth Walter. Seine Unterseeboote und ihre Hochleis-tungsantriebe“.

Damit ehrt das Museum einen Techniker, der tief in die nationalsozialistische Weltanschauung verstrickt war. Walter (1900-1980) war einer der hoffnungsträchtigen Erfinder für die Marine-Kriegsmaschinerie der Nazis, für die er einen U-Boot-Antrieb entwickelte. Tom Bower, Autor eines Buches über NS-Wissenschaftler, bezeichnete ihn als „überzeugten Nazi“. Als er am 5. Mai 1945 festgenommen wurde, „beharrte Walter hartnäckig darauf, dass er noch immer Untertan des Dritten Reiches, nicht der Alliierten sei“, schreibt der Autor. Einen Tag später habe er gefragt: „Wann lasst Ihr mich wieder an die Arbeit gehen – damit wir die Russen bekämpfen können?“

Sturm laufen jetzt Theaterregisseur Johannn Kresnik, eine Historikerin, die Landeszentrale für politische Bildung, Friedensinitiativen wie die Bremer VVN/BdA oder die Bremerhavener Gruppe „Menschen gegen soziale Kälte“: Sie fordern mindestens eine angemessene biografische Ergänzung, wenn nicht gar die Absage der Ausstellung. Für Samstagmorgen wurde bereits eine Protestveranstaltung um 10 Uhr vor dem Schifffahrtsmuseum angekündigt.

Im Schiffahrtsmuseum versuchen die Historiker, die Kritik abzuwiegeln. Zum einen sei die Ausstellung relativ klein (11 Tafeln), so dass nicht ausführlich auf die problematische Biographie des Maschinenbauers eingegangen werden könne, sagt Lars Scholl, der die Ausstellung vorbereitete. Zum anderen seien die Erfindungen, die Walter im Auftrag der Nazis entwickelte – spezielle Antriebsmotoren für Torpedos, Raketen und vor allem U-Boote – nie zur Serienreife gelangt. Außerdem werde in der ständigen Ausstellung des Museums an mehreren Stellen deutlich gemacht, welche Folgen Militär und Krieg in der deutschen Geschichte hatten. Und schlussendlich werde er am Eröffnungstag in seiner Rede auf die Biografie hinweisen. „Wir werden keinen Nazi verherrlichen“, sagt Scholl.

Auch der kommissarische Leiter des Museums, Uwe Schnall, will von Kritik nichts wissen. Immerhin habe sogar Bundespräsident Cars-tens Walter zum 80. Geburtstag gratuliert, versucht er die Glaubwürdigkeit des Erfinders zu untermauern. Und Carstens sei „meiner Kenntnis nach kein großer Nazi“ gewesen. Zudem hätte Walter keine wissenschaftliche Förderung bekommen, wenn er nicht in die NSDAP eingetreten wäre. 1932, nach Angaben von Scholl. Schnall verspricht, dass die Ausstellung „keine Technik-Jubel-Orgie“ werde.

Das darf bezweifelt werden. Im Mittelpunkt der Schau steht der „Walter-Motor“. Nur auf einer Tafel soll die Biografie angerissen werden, von historischer Einbettung fehlt, nach Beschreibung der Ausstellungsmacher, jede Spur. Die mit Wasserstoffperoxyd betriebene Gasturbine sollte vor allem in U-Booten eingesetzt werden. „Nur die Bombenangriffe der Alliierten und Zeitmangel hatten verhindert, dass Walters Erfindung die lebenswichtigen Nachschublinien der Alliierten für ihre Invasionsarmee über den Kanal vernichteten“, schreibt Bower. Der Erfindergeist Walters war auch beim Konstrukteur der V-2-Rakete, Wernher von Braun, in Peenemünde gefragt. Wie Braun landete Walther nach dem Krieg als Mitarbeiter bei der US-amerikanischen NASA.

Nach Informationen der Historikerin Doris Kachulle, die den Fall öffentlich machte, waren zudem in den „Walter-Werken“ in Kiel 250 Zwangsarbeiter beschäftigt, die für die Luftwaffe produzierten. Die Walter-Werke unterhielten zudem ab dem Frühjahr 1942 eine Fertigungsanlage im KZ Neuengamme. Für seine Nazi-Verdienste bekam Walter das „Ritterkreuz zum Kriegsverdienstkreuz“.

Neben der empörten Historikerin sprach sich auch Michael Scherer von der Landeszentrale für politische Bildung dafür aus, die Erfindungen Walters in einen historischen Kontext einzubinden. „Auch ein Technik-Museum befindet sich nicht im luftleeren Raum“ sagte er. Sein Vorschlag: Eine zusätzliche Tafel soll auf die problematische Biografie hinweisen.

Der Landesvorsitzende der VVN/BdA, Raimund Gaebelein geht noch weiter: Walters Handeln habe schließlich Auswirkungen auf das Leben der Zwangsarbeiter gehabt. Dies gelte es, mit zu berücksichtigen. Auch eine Podiumsdiskussion zum Thema fände er angemessen. Auch Narziss Göbbel vom Senator für Kultur distanziert sich vorsichtig von der Jubelschau: „Wenn die Ausstellungsmacher kein politisches Fingerspitzengefühl zeigen, muss man mit ihnen reden“.

Jede diplomatische Zurückhaltung gibt Theaterregisseur Johann Kresnik im Gespräch mit der taz auf: Er betrachte es als eine „uneimliche Sauerei, was da passiert“ und fordert dazu auf, alles zu machen, um die Ausstellung zu verhindern. Er könne nicht verstehen, dass Nazis immer noch derart in den Vordergrund gestellt und verehrt würden.

Christoph Dowe

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