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Regierung will Ökosteuer aussitzen

Trotz der Straßenkämpfe in Frankreich und der Begehrlichkeiten deutscher Industriebosse in Sachen Benzinpreis will die rot-grüne Bundesregierung nicht an die Ökosteuer rühren. Proteste deutscher Fernfahrer sind unwahrscheinlich

BERLIN taz/dpa/rtr ■ Die Bundesregierung will trotz des enormen Ölpreisanstiegs keine Korrekturen an der Ökosteuer vornehmen. Befürchtungen von Wirtschaftsexperten, die hohen Benzinpreise könnten die Konjunktur schwächen, wies ein Sprecher des Finanzministeriums zurück. Der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Reinhard Loske, sagte der taz: „Die Politik darf sich nicht zum Sklaven des Marktes und der Konzernstrategien machen und auf Preissteigerungen mit hektischem Aktionismus reagieren.“ Andernfalls wäre die so wichtige Signalwirkung der Ökosteuer hinfällig.

Eine Senkung der Ökosteuer hatte unter anderen der Vorsitzende des Bundesverbandes der Deutschen Industrie, Hans-Olaf Henkel, gefordert. Laut Koalitionsvertrag müsse die Ökosteuer die „Entwicklung der Energiepreise berücksichtigen“, betonte Henkel. Er wundere sich nicht, dass in Frankreich die Fernfahrer protestieren. Um so etwas in Deutschland zu verhindern, müsse die Bundesregierung die Mineralölsteuer senken, drohte Henkel dezent.

In Frankreich haben die Fernfahrer mit ihren Protesten gegen zu hohe Benzinpreise erste Zugeständnisse erreicht. Dort will die Regierung die Dieselsteuer in diesem Jahr um umgerechnet etwa zehn Pfennig pro Liter senken. Trotzdem gingen die Blockaden an französischen Tanklagern gestern weiter.

Ein Übergreifen der Proteste auf die Bundesrepublik ist nach Ansicht des Hauptgeschäftsführers des Bundesverbandes Güterkraftverkehr, Logistik und Entsorgung, Karlheinz Schmidt, nicht zu befürchten. Zwar sei die Bereitschaft, auch hier auf die Straße zu gehen, so hoch wie nie. Jedoch drohten deutschen Lkw-Fahrern nach der Teilnahme an einer illegalen Straßenblockade Führerscheinentzug und eine Geldstrafe von bis zu 10.000 Mark. Zudem könnten die bestreikten Konzerne nach einer Verurteilung Schadensersatzforderungen stellen. „Kommt es so weit, können sich die betroffenen Unternehmen gleich beim Sozialamt anstellen“, sagte Schmidt.

Befürchtungen, Steuersenkungen in Frankreich benachteiligten die deutschen Transportunternehmen in Europa, teilt der umweltpolitische Sprecher der Grünen, Reinhard Loske, nicht. „Die Benzinpreise in Deutschland liegen im Vergleich zu anderen EU-Staaten im hinteren Mittelfeld“, argumentiert Loske. Preisermäßigungen müssen erst von der Europäischen Kommission genehmigt werden und gelten dann auch für ausländische Spediteure.

Nach Ansicht von Reinhard Loske zeige die Ökosteuer jetzt erste „ermunternde Zeichen“. Die Industrie beginne verstärkt energiesparende Technologien zu entwickeln.

RALF GEISSLER

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