: Verkehrte Woche
Großkampftage auf Hamburgs Straßen: Am Dienstag Amok-Stauer gegen die Ökosteuer, am AutoFreiTag die Erholung davon ■ Von Sven-Michael Veit
„Lassen Sie sich anstecken“, riet Alexander Porschke. Wer nächsten Freitag sein Auto nicht benutze, werde „die Stadt anders erleben“, versprach Hamburgs grüner Umweltsenator, als er gestern das Programm des Autofreien Tages am 22. September offiziell vorstellte. Alle BürgerInnen seien eingeladen, die Stadt „zu Fuß, auf dem Rad, auf Skates oder mit öffentlichen Verkehrsmitteln neu und wieder zu entdecken“.
Der rot-grüne Hamburger Senat hatte im März beschlossen, sich an dieser Aktion der Europäischen Kommission zu beteiligen, wie über 800 andere Städte und Kreise in der EU. In Deutschland haben sich 68 Kommunen dem Motto „In die Stadt – ohne mein Auto“ angeschlossen.
Nicht vorhersehbar war allerdings, dass der AutoFreiTag zeitlich mit dem Höhepunkt verkehrspolitischer Hysterie zusammenfallen würde. Die Kampagne gegen die Öko-Steuer – nach Ansicht der GAL eine „bewusste Irreführung der Bevölkerung – wird am Dienstag auch in der Hansestadt für Amokfahrten sorgen. Für diesen Tag haben Hamburger Speditions- und Taxenverbände zu einem Blo-ckadekonvoi auf dem Ring 1 aufgerufen, um gegen die heftig gestiegenen Benzinpreise zu protestieren (siehe Interview).
Die Phalanx jedoch ist keineswegs geschlossen. Der Aufruf sei „mit uns nicht abgesprochen“, stellt Jo Ferschen, Vorstand von „das taxi“ klar. Die Verteuerung des Sprits sei zwar „Horror“ und von vielen kleinen Taxiunternehmern kaum noch zu verkraften, aber da habe ja wohl die OPEC mächtig an der Schraube gedreht. Er persönlich bezweifle, „dass die Ökosteuer das eigentliche Problem ist“. „Das“, so Ferschen, „ist viel zu kurz gedacht.“
Auch Gudrun Klensch hält das Thema für „aufgeblasen“. Die Leiterin Stadtbereich beim Hamburger Kurierdienst „Funkpiloten“ kann „kein Umdenken bei den Leuten“ feststellen. Von einer Verlagerung der Botenfahrten vom Auto aufs Fahrrad könne ebenfalls keine Rede sein: „Die Kunden, die speziell Radkuriere wünschen, sind nicht häufiger geworden.“ Zwar würden die Funkpiloten wahrscheinlich demnächst „zum ersten Mal seit 1992“ die Preise erhöhen, sagt Klensch, aber „nicht wegen der Ökosteuer“.
Hamburgs Christenunion ficht das alles nicht an. Sie vermeldete gestern „überwiegend positive Reaktionen“ von AutofahrerInnen auf ihre einwöchige „verkehrspolitische Offensive“, die bis heute andauert. Am Berliner Tor habe eine Autofahrerin am Dienstag dem „CDU-Verkehrsinfoteam“ ihr Leid geklagt: „Jeden Morgen stehe ich hier 15 oder 20 Minuten – jeden Morgen! Dass die Straße zu eng ist für all' diese Autos, muss doch mal jemandem auffallen.“
Und das Hamburger Abendblatt wusste zu berichten, dass erste Entnervte „bereits ihr Auto verschenkt“ hätten. Müssen wohl Danaer gewesen sein.
Alles Wissenswerte über den „AutoFreiTag“ steht im beiliegenden taz hamburg-Spezial.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen