piwik no script img

Die SPD übt sich im Spagat

Die SPD im Bundestag fordert Berliner Genossen auf, dem Koalitionspartner Dampf zu machen. Diese wollen trotz Spendenaffäre am Bündnis mit der CDU festhalten. Nur Momper fordert Konsequenzen

von RALPH BOLLMANN

Die Nachhilfe kam aus dem Bundestag. Die Berliner Genossen sollten ihrem Koalitionspartner CDU endlich „Dampf machen“, forderte die hessische SPD-Abgeordnete Christine Lambrecht gestern in einer aktuellen Stunde zum CDU-Spendenskandal. Die örtlichen Sozialdemokraten sollten sich „nicht dem Vorwurf aussetzen, einem Koalitionspartner die Stange zu halten, der nicht alles daransetzt, diese Vorgänge aufzuklären“, riet Lambrecht.

In Berlin stieß der Exbürgermeister Walter Momper (SPD) ins gleiche Horn. Er hält einen Bruch der Koalition nicht mehr für ausgeschlossen. „Ich möchte nicht in die gleiche Situation kommen wie die FDP in Hessen“, sagte Momper vor einer Sitzung der Berliner SPD-Spitze. Der CDU-Fraktionsvorsitzende Klaus Landowsky sei in diesem Amt nicht mehr haltbar. Auch der Landesvorsitzende Eberhard Diepgen müsse sich endlich klar äußern.

Insgesamt blieb es jedoch bei dem Spagat zwischen begrenztem Angriff und Koalitionstreue. Den zweiten Part übernahm der SPD-Landesvorstand, der nach dem Treffen ein höchst zahmes Papier herausgab. Darin wurde lediglich die Einrichtung eines Untersuchungsausschusses gefordert. Dort wolle die SPD „die schonungslose Aufklärung aller Vorwürfe“ vorantreiben. Landesgeschäftsführer Ralf Wieland sah vorerst keinen Anlass zum Ausstieg aus dem Bündnis: „Wir koaliern nicht mit Namen, sondern mit Parteien.“ SPD-Landeschef Strieder sagte, man wolle weiter sticheln, aber nicht zündeln.

Nachhilfe erhielten die Berliner Sozialdemokraten gestern auch von der grünen Bundestagsabgeordneten Franziska Eichstädt-Bohlig. Die SPD müsse aufpassen, dass sie in die Affäre nicht hineingezogen werde, sagte die Politikerin. Die Berliner PDS-Landesvorsitzende Petra Pau sagte unter Bezug auf frühere Affären, auch die SPD sei in Berlin „keineswegs blütenrein“.

Der CDU-Obmann im Parteispenden-Untersuchungsausschuss, Andreas Schmidt, warf der SPD dagegen vor, sie verfolge in der Affäre lediglich das Ziel, „die PDS in Berlin in die Regierung zu holen“. Außerdem wolle sie von eigenen Fehlern wie der Veruntreuung von Parteigeldern im früheren Kreisverband Zehlendorf ablenken.

Der stellvertretende CDU-Landesvorsitzende Rupert Scholz räumte in der Bundestagsdebatte lediglich ein, dass der Umgang mit der Spende zweier Bauunternehmer an Landowsky „in der Tat einige Probleme“ aufwerfe. Es liege jedoch „kein strafbares Verhalten“ vor. Vielmer sei „nur gegen innerparteiliche Richtlinien verstoßen“ worden, die es bei anderen Parteien in dieser Strenge gar nicht gebe.

Zum Angriff auf den Regierenden Bürgermeister blies der frühere SPD-Landesvorsitzende Detlef Dzembritzki. „Seine zur Schau gestellte Ahnungslosigkeit nimmt ihm keiner ab“, sagte Dzembritzki. Diepgen gerate „immer mehr in Erklärungsnot“. Auch Landowskys Doppelfunktion als Banker und Fraktionschef habe der Bürgermeister jahrelang mit getragen.

Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) forderte die CDU unterdessen zur Klärung ihrer Berliner Affäre auf. Die Bundespartei müsse im Hinblick auf die im Rechenschaftsbericht verschwiegenen Spenden an Landowsky eine Erklärung abgeben, die auch von einem Wirtschaftsprüfer testiert sei, sagte ein Sprecher. Danach werde die Bundestagsverwaltung prüfen, ob von der Bundes-CDU Strafzahlungen erhoben würden. Das Parteiengesetz sieht für diesen Fall eine Strafe in Höhe von 80.000 Mark vor, die von der Bundespartei bezahlt werden muss. Im hessischen Fall hatte sich der Landesverband jedoch am entstandenen Schaden beteiligt.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen