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Nicht ganz aus der Bahn geworfen

Die Einschränkung der Fahrradmitnahme in DB-Zügen hat herbe Kritik geerntet. In Berlin wird das Angebot punktuell sogar erweitert: Gen Ostsee wird es eng, aber nach Paris und Zürich werden künftig neue Züge eingesetzt – mit Velo-Stellplätzen

von TILMAN VON ROHDEN

In den vergangenen Jahren legte die Deutsche Bahn nicht nur Lippenbekenntnisse ab, wenn es um die Bedürfnisse von Bahn fahrenden Radlern ging. Sowohl im Fern- als auch im Nahverkehr wurde das Bemühen sichtbar, den Bikern möglichst attraktive Mitnahmemöglichkeiten der stählernen Rosse zu bieten. Das Jahr 2000 brachte jedoch eine Wende. Erstmals verschlechterten sich die Bahnangebote für Radfahrer. Und die weitere Zukunft sieht nicht günstig aus (taz vom 21. März). In den fünf neuen Ländern und Berlin eröffnet sich für bahnreisende Radler eine durchwachsene Perspektive.

Frank Rufmann vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club (ADFC) prophezeit schon für den kommenden Sommerfahrplan deutliche Verschlechterungen für „Rad & Bahn“. Und in den kommenden Jahren würde es „krass“ werden: „Mehr als 600.000 Bahnkunden bleiben künftig jedes Jahr auf der Strecke, wenn im Fernverkehr die fahrradunfreundliche Politik weiter umgesetzt wird“, befürchtet er.

Das Problem sind die ICE-Züge, die für einen Radtransport nicht ausgelegt sind. Die neueste Hightech-Errungenschaft, der ICE-T, der durch seine ausgefeilte Neigetechnik glänzt, ist dabei ein Sonderfall. Denn der ICE-T ist modular konzipiert: Die notwendigen Fahrradbügel ließen sich sofort einbauen. Die Bahn müsste lediglich in den Triebköpfen, direkt hinter den Fahrständen, auf einige Sitze verzichten.

Doch da liegt der Hase im Pfeffer. „Die Kosten des ICE sind so hoch, dass während der Hauptreisezeit auf keinen Sitzplatz verzichtet werden kann“, sagte jüngst Martin Brandenbusch, Marketingleiter im DB-Personenverkehr. Man müsse nach flexiblen Lösungen suchen, um außerhalb der Hauptreisezeiten Platz für die Fahrradmitnahme zu schaffen. Und da die ICE immer stärker zum Einsatz kommen, wird die Radmitnahme in Zukunft wohl immer stärker limitiert sein.

So wurde im vergangenen Jahr die Strecken Berlin – München und Frankfurt – Dresden auf ICE-T umgestellt. Besonders betroffen ist Leipzig, da sich die beiden Linien kreuzen und somit fast alle Fernverbindungen mit Fahrradbeförderung wegfallen.

Nach Auskunft der Deutschen Bahn können Biker gegenwärtig auf 580 Fernverkehrszügen ihr gutes Stück transportieren. Pro Zug stehen durchschnittlich 13 Stellplätze zur Verfügung. Mit dem kommenden Fahrplanwechsel im Juni sinkt die Zahl auf circa 530 Züge.

Von den rund 440 InterRegios, die direkt in die beliebtesten Ferienregionen fahren, waren Ende 2000 noch 390 unterwegs. Spätestens 2002 holt die Bahn die über 35 Jahre alten Waggons von den Gleisen. Dann fallen über 3.520 Fahrradstellplätze im Fernverkehr mit einem Schlag weg. Dagegen protestiert der ADFC vehement und hat eine Protestaktion mit Postkarten initiiert (siehe Graphik).

Die zu ersetzenden InterRegio-Züge hatten 8 beziehungsweise 13 Stellplätze für Reisegruppen. Benno Koch vom Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Club, Landesverband Berlin, hält die Ausdünnung der InterRegio-Züge zugunsten des ICE nicht für grundsätzlich falsch.

Das Problem sei aber die mangelnde Flexibilität des ICE und der kurzsichtige politische Wille der Deutschen Bahn. Auch in Berlin und Umgebung sinkt die Zahl der fahrradfreundlichen InterRegios.

Gunnar Meyer, Sprecher der Deutschen Bahn in Berlin, sieht darin allerdings kein Problem. „Unser Nahverkehrskonzept 21 orientiert von den InterRegios auf den Regional-Express. Damit ist aber keine Verschlechterung des Angebots für die Mitnahme von Rädern verbunden.“ Zwar räumt er ein, dass die Züge zur Ostsee in den Sommermonaten „sehr voll“ seien und ein Transport manchmal problematisch sei. Aber nur zu gewissen Zeiten. Deshalb müsse es gelingen, die Kunden auf die Züge gleichmäßiger zu verteilen. Auch lautet seine Empfehlung, Fahrräder von der Bahn transportieren zu lassen und nicht direkt mitzunehmen.

Auf der anderen Seite werden weitere Nachtzüge mit Fahrradabteilen ausgestattet. Davon profitiert unter anderem die Strecke Berlin – Paris. Mit dem City-Night-Line fährt das Rad demnächst nach Zürich.

Für Benno Koch sind die Verschlechterungen eine „politische Entscheidung“, sich mit dem „Schmuddelkunden“ Radfahrer nicht abgeben zu wollen. Nach seinen Angaben ist die Zusammenarbeit mit der DB Reise und Touristik in Ostdeutschland ausgezeichnet, aber die zu kritisierenden Entscheidungen würden in der Zentrale in Frankfurt am Main getroffen.

Koch ist auch deshalb enttäuscht, weil Radfahrer bei der Bahn besonders gute Kunden seien. Zum Beleg führt er die ADFC-Radreiseanalyse 2001 an. Nach dieser haben über zwei Millionen Deutsche ihren Urlaub mit dem Fahrrad verbracht. Zwölf Prozent aller Radtouristen würden die Bahn zur Anreise nutzen.

Auf den verschlechterten Service würden die Rad fahrenden Kunden „pragmatisch“ reagieren: „Sie nehmen in Zukunft verstärkt das Auto zur Urlaubsanreise“, so Koch.

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