piwik no script img

Friede, Freude, Geschlossenheit

Angela Merkel ist glücklich: Die CDU kann wieder gewinnen, auch 2002 gegen Schröder. Nur einig müsse die Partei sein und eine klare Botschaft haben

von JENS KÖNIG

Angela Merkel ist in den vergangenen Monaten vorsichtig geworden. Das kann man vielleicht am besten daran ablesen, dass sie ihr charmantes Ich-bin-die-unschuldige-Angela-Merkel-Lächeln immer seltener auflegt. Auch gestern konnte man an ihrem Gesicht nicht im mindestens ablesen, dass hier im Konrad-Adenauer-Haus eine glückliche Wahlsiegerin saß. Merkel musste schon ihr ganzes Vokabular an Superlativen aufbieten, damit man ihr die Freude und Genugtuung auch abkaufte. Der Wahlsonntag sei ein „ausgezeichneter Tag für die CDU“, sagte sie. Erwin Teufel habe in Baden-Württemberg ein „sagenhaftes Wahlergebnis“ erzielt. Dazu gratuliere sie ihm „von ganzem Herzen“.

Es war vor allem ein ausgezeichneter Tag für die CDU-Vorsitzende, daran konnte auch Christoph Böhr nichts ändern, der Wahlverlierer aus Rheinland-Pfalz, der links neben Merkel saß und wie die personifizierte Niederlage aussah. Natürlich war es der Chefin selbst vorbehalten, ihrer Partei die süße Botschaft dieser Wahlen zu verkünden. „Wir können wieder gewinnen“, sagte Angela Merkel. Die wichtigste Schlussfolgerung daraus zog sie ebenfalls selbst: „Die Bundestagswahl 2002 ist offen.“ Und dann sagte sie einen Satz, der unschuldig daherkam und doch alles über die labile Seelenlage der CDU verriet. „Seit Sonntag ist eines wieder klar“, so Merkel. „Wir haben 2002 alle Chancen auf den Sieg, wenn wir geschlossen auftreten und selbstbewusst sind.“

Klarer kann die CDU nicht zu verstehen geben, dass sie bis Sonntagabend selbst nicht mehr daran geglaubt hat, bei der nächsten Bundestagswahl irgendetwas ausrichten zu können. Da soll ein Wahlsieg reichen, der Partei ihr Selbstbewusstsein zurückzugeben?

Angela Merkel scheint das zu glauben. Die Grundbedingung für dieses Selbstbewusstsein wird das neue Mantra der Parteivorsitzenden. Schon gestern murmelte sie es für jeden vernehmlich immer wieder vor sich hin: Geschlossenheit, Geschlossenheit, Geschlossenheit. Die Partei muss sich einig sein. Schluss mit den Streitigkeiten an der CDU-Spitze. Merkel untermauerte ihre neue Einsicht mit einer einfachen Erkennntis: Wenn die Parteiführung den Warnruf von Erich Teufel („Aus Berlin kommt orkanartiger Gegenwind“) nicht gehört und daraus Konsequenzen gezogen hätte, wären die Wahlen in Baden-Württemberg anders ausgegangen.

Das war längst nicht alles. Angela Merkel hatte noch zwei weitere politische Binsenweisheiten aus der Abteilung „Wie gewinne ich Wahlen?“ für ihre christdemokratischen Freunde parat. Die Partei müsse die eigene Anhängerschaft mobilisieren und eine klare, einfache Botschaft haben. Beides sei der CDU in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz mit der Nationalstolz-Debatte und der Diskussion über Jürgen Trittin gelungen. Beides, so kündigte die Parteivorsitzende an, werde die CDU in den nächsten Wochen fortsetzen.

Die CDU hofft ganz offensichtlich, mit dieser einfachen Strategie Punkte zu machen. Sie glaubt, damit die rot-grüne Regierung unter Druck setzen zu können. Schröders gestrige Aussage, die Union betreibe auf Trittin eine „Menschenjagd“, wertete Merkel bereits als Ausdruck wachsender Nervosität. Außerdem ist die CDU davon überzeugt, damit Wähler am rechten Rand zurückgewinnen zu können. Das Ausscheiden der Republikaner aus dem Stuttgarter Landtag ist der Partei der Beweis dafür.

Es war ausgerechnet am Wahlverlierer Christoph Böhr, die neue, einfache Erfolgsformel der CDU „Geschlossenheit plus einfache Botschaft gleich Wahlsieg“ in Frage zu stellen; unbeabsichtigt, versteht sich. Die CDU habe in Rheinland-Pfalz verloren, so Böhr, weil es ihr nicht gelungen sei, im Land eine Wechselstimmung zu erzeugen. Wie und womit denn die CDU im Bund 2002 eine Wechselstimmung erzeugen wolle, wurde Merkel gleich danach gefragt. Da redete sie von Schröders verfehlter Rentenpolitik, von steigender Arbeitslosigkeit, von Ökosteuer. Das klang nach nichts. Weg war sie plötzlich wieder, die neue Siegeszuversicht.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen