: Das feste Band der Biologie
Durch Schwangerschaft und Geburt sind Kinder enger an Mütter geknüpft als an Väter – sagt der BGH. Und deswegen darf die ledige Mutter auch alleine sorgen
FREIBURG taz ■ Fast pünktlich zum Muttertag bestätigte der Bundesgerichtshof (BGH) eine der umstrittensten Regelungen im seit 1998 geltenden neuen Kindschaftsrecht. Nichteheliche Mütter können auch künftig verhindern, dass der Vater das Sorgerecht mit ihnen gemeinsam ausübt. Die Regelung sei „legitim und aus tatsächlichen Gründen des Kindeswohls gerechtfertigt“, urteilte der BGH. Die Mutter trage „naturgegeben“ mit der Geburt die Hauptverantwortung für das Wohl des Kindes
Früher war ein gemeinsames Sorgerecht von Vater und Mutter bei nichtehelichen Kindern ausgeschlossen. Seit 1998 nun besteht jedoch die Möglichkeit, dass die nicht verheirateten Eltern vor oder nach der Geburt eine „Sorgeerklärung“ abgeben und dann das Sorgerecht zusammen ausüben. Von dieser Möglichkeit wird auch rege Gebrauch gemacht.
Streit entzündete sich aber an der Frage, was passiert, wenn sich die Mutter weigert, eine Sorgeerklärung abzugeben. Im Bürgerlichen Gesetzbuch heißt es hierzu eindeutig: „Im Übrigen hat die Mutter die elterliche Sorge.“ Väterorganisationen halten diese Bestimmung für verfassungswidrig, weil sie Männer diskriminiere und in ihrem Elternrecht verletze.
Im konkreten Fall ging es um ein heute achtjähriges Kind aus Tübingen. Seit der Trennung der Eltern im Jahr 1996 lebte es von Montag bis Mittwoch beim Vater und von Mittwochabend bis Freitag bei der Mutter; die Wochenenden verbringt es abwechselnd bei beiden Elternteilen. Trotz dieses Arrangements lehnte die Mutter ein gemeinsames Sorgerecht ab, weil sie befürchtet, der Vater wolle sich in ihr Leben einmischen. Der Mann klagte jedoch vor Gericht, um sicherzustellen, dass er sich auch künftig an der Erziehung des Kindes beteiligen kann.
Wie das oberste deutsche Zivilgericht jetzt entschied, ist die grundsätzliche Zuordnung der Mutter zum Kind mit dem Grundgesetz vereinbar. Sowohl die Schwangerschaft als auch die Geburt vermittelten eine so enge Beziehung zwischen Mutter und Kind, dass dies die bestehende gesetzliche Regelung sachlich rechtfertige.
Eine generelle Anordnung des gemeinsamen Sorgerechts – wie bei ehelichen Kindern – komme bei nichtehelichem Nachwuchs dagegen nicht in Betracht, so der BGH. Schließlich stammten nichteheliche Kinder oft aus „instabilen Beziehungen“.
Auch eine gerichtliche Anordnung des gemeinsamen Sorgerechts sei im Streitfall nicht sinnvoll. „Gegen den Willen eines Elternteils angestrengte Gerichtsverfahren sind vielfach mit Konflikten zwischen den Beteiligten verbunden“, argumentieren die RichterInnnen, weshalb die für ein gemeinsames Sorgerecht „notwendige Harmonie“ nicht mehr vorausgesetzt werden könne.
Verantwortlich für die Entscheidung ist der Zwölfte Zivilsenat des BGH, dem drei Männer und zwei Frauen angehören, unter anderem die Frauenbeauftragte des BGH. Der Vater kann gegen dieses Urteil noch Verfassungsbeschwerde erheben. (Az. XII ZB 3/00) CHRISTIAN RATH
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen