: Aktionärsbetrug: Im Visier ist auch die WestLB
Ein neues Gutachten zeigt: Infomatec hatte beim Börsengang nur einen Unternehmenswert von 5,3 Millionen Mark. Die Westdeutsche Landesbank ging dagegen von 207 Millionen aus. Untersucht wird auch, ob Infomatec jemals eine eigene Surfstation entwickelt hat
AUGSBURG taz ■ Wenn die Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität in Augsburg einmal Lunte gerochen hat, dann lässt sie so schnell nicht locker. Das ist im Verfahren gegen den Rüstungslobbyisten Schreiber so, und das hat auch schon mancher Steuerbetrüger erfahren müssen.
Lunte gerochen haben die Ermittler auch im Fall Infomatec AG. Behördenleiter Reinhard Nemetz bestätigt, dass trotz einer Haftaussetzung für die beiden Exvorstände durch das Oberlandesgericht in München Anfang Mai die Verdachtsmomente weiter bestünden und daher auch intensiv weiter verfolgt würden.
Die Staatsanwaltschaft verdächtigt Gerhard Harlos und Alexander Häfele, „dass sie ein verbotenes Insidergeschäft begangen haben und aus Insideraktienverkäufen jeweils cirka 28 Millionen Mark erlöst haben“, so Staatsanwalt Nemetz. Und weiter: „Sie sind auch verdächtig des zweifachen Kursbetrugs und der unrichtigen Darstellung der Aktiengesellschaft in der Hauptversammlung.“
Was sich dahinter verbirgt, ist an Dreistigkeit kaum zu überbieten. Auf dieser Hauptversammlung, die am 24. Juni 1999 stattfand, wurde im Foyer das „Schmankerl“ der Infomatec AG, die JNT-Surfstation präsentiert und dem Publikum mitgeteilt, dass es sich hier um Geräte der Infomatec AG handle. „In Wahrheit waren dies jedoch Geräte des Herstellers Schneider, dessen CompuTimeSoftware auf Basis des Betriebssystems MS Windows betrieben wurde“, heißt es in der Klageschrift. Es seien auf den Geräten einfach Infomatec-Firmenaufkleber angebracht worden, „um dem Publikum vorzuspiegeln, es handle sich hier um Geräte der Infomatec AG, auf denen die JNT-Software aufgespielt ist“. Für den leitenden Oberstaatsanwalt ist die Untersuchung gegen Infomatec ein Musterfall. Innerhalb der nächsten zwei bis drei Monate werde eine „Abschlussverfügung“ ergehen. Nemetz sagt nicht, dass Anklage gegen die Vorstände erhoben wird, doch genau dies ergibt sich aus den Vorwürfen.
Was Reinhard Nemetz nicht sagen will, bringt der Münchner Kleinanlegeranwalt Klaus Rotter auf den Punkt. In seiner Musterklage, die voraussichtlich am 6. August vor der 3. Zivilkammer des Augsburger Landgerichts verhandelt wird, wirft er den Beklagten, der Infomatec AG und deren beiden Exvorständen vor, durch drei Ad-hoc-Meldungen Aufträge im Wert von mehr als 160 Millionen Mark vorgegaukelt zu haben, die es zu keinem Zeitpunkt gab und damit den Börsenkurs manipuliert zu haben.
Ein Beispiel: Am 20. Mai 1999 versandte die Augsburger Softwareschmiede eine Meldung, in der vom „größten Deal der Firmengeschichte“ geschwärmt wurde – was den Aktienkurs sprunghaft steigen ließ. Allein der Umsatz aus diesem Deal belaufe sich auf 55 Millionen Mark, mithin einen Auftrag für 100.000 Surfstations. Tatsächlich aber, so Rotter, sei lediglich ein Vertrag über 14.000 solcher Internetboxen geschlossen worden. Alles andere war pure Absichtserklärung.
Ähnlich sei in zwei weiteren Fällen mit angeblichen Großaufträgen vorgegangen worden, einmal sogar mit einer IT-Firma, die es gar nicht gibt. Sein Musterkläger, so Rechtsanwalt Rotter weiter, habe mehrmals bei Infomatec nachgefragt. Dort seien ihm die Großabschlüsse ausdrücklich bestätigt worden.
Besonders brisant wird das Musterverfahren gegen Infomatec angesichts eines Gutachtens des Münsteraner Wirtschaftsprofessors Klaus Röder. Dieser kommt zu dem Ergebnis, dass die fünf Infomatec-Teilfirmen lediglich einen reellen Wert von 5,234 Millionen Mark darstellten. Dagegen hätten die Wirtschaftsprüfer Haarmann, Hemmelrath & Partner sowie die Westdeutsche Landesbank (WestLB) einen Unternehmenswert von 207,575 Millionen Mark ermittelt. Selbst bei wohlwollender Betrachtung sei der Wert bestenfalls mit knapp 55 Millionen Mark anzusetzen gewesen.
Die Konsequenz ist nach Ansicht von Anwalt Rotter klar: Sowohl die Wirtschaftsprüfer als auch die WestLB müssten den Kleinanlegern Schadensersatz leisten. Denn wenn eine Firma an die Börse gebracht wird, deren tatsächlicher Wert nicht annähernd dem reellen Wert entspreche, sei das Kapitalanlagebetrug. KLAUS WITTMANN
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