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Per Mail gegen die Fraktionslinie

Die SPD-Abweichler: Keine Experten, keine Promis, keine Versammlung. Doch bisher sprang nur einer ab

BERLIN taz ■ Was tut ein einfacher SPD-Bundestagsabgeordneter, wenn die Entscheidung über den Nato-Einsatz auf einer Sondersitzung mitten in der Sommerpause fällt? Das fragte Harald Friese in der letzten Sitzungswoche einige Vertraute in der SPD-Fraktion, die ebenfalls Vorbehalte hatten. Man einigte sich, eine persönliche Erklärung zu formulieren. Schon damals war klar: Hat die Nato erst entschieden, muss es schnell gehen.

Die Entscheidung der Nato zog sich hin. Doch am 18. Juli bekam ein Journalist Wind von Frieses Erklärung. Gegen die Fraktion in einer so wichtigen Frage zu stimmen ist heikel genug. Da wollten Friese und seine Genossen wenigstens sicherstellen, dass die SPD-Kollegen es nicht aus der Zeitung erfahren. Also verschickten sie die Erklärung über den fraktionsinternen E-Mail-Verteiler.

Die Reaktion überraschte Friese: In Kürze schlossen sich 26 Kollegen seinem Papier an. Inzwischen sind es – ihn eingerechnet – 30. Und da sein Name als Verfasser ganz oben steht, ist Friese über Nacht in den Medien zum „Sprecher“ der „Abweichler“ avanciert.

Normalerweise strukturieren sich Konflikte in der Fraktion über Parteiflügel oder Arbeitsgruppen. Anonymität und Schnelligkeit des fraktionsinternen Intranets schuf nun eine unübliche Gruppe: bunt gemischt aus Finanz- und Energiepolitikern, aus Gewerkschaftern, aus Ossis wie Wessis. Und vielleicht ist das Wort „Gruppe“ zu stark. So machte der Abgeordnete Willi Brase wieder kehrt, mit dem Hinweis, ja nie „explizit“ der Erklärung Frieses zugestimmt zu haben. Ein „Missverständnis“, heißt es – und das liegt wohl daran, dass sich die Kritiker so nie versammelt haben und sich vielleicht nie in dieser Zusammensetzung treffen werden.

Die meisten sind unbekannt, abgesehen vom IG BAU-Chef Klaus Wiesehügel. Außen- oder Verteidigungspolitiker sucht man vergebens. So wusste Friese auch gestern noch nicht genau, was nun der UN-Sicherheitsrat im Detail für eine Empfehlung zu Mazedonien abgegeben hat. Aber es ist kein UN-Mandat – und das ist für ihn entscheidend. Er fürchtet, dass ein Nato-Einsatz den Konflikt eskalieren lassen und ähnlich ausweiten könnte wie im Kosovo. Fraktionsräson hin, Bündnistreue her. „Wo Menschenleben eine Rolle spielen, da lasse ich mich nicht unter Druck setzen“, sagt Unterzeichner Wolfgang Grotthaus.

Von Druck der Fraktionsspitze, versichert Friese, könne „keine Rede sein“. Druck macht auch er nicht: „Ich reiß keinem den Kopf ab, wenn der seine Meinung ändert.“ Sicher mag manche das Wohlwollen des UN-Sicherheitsrates noch umstimmen.

Doch Strucks Aussage, er rechne mit einer ausreichenden Mehrheit aus den eigenen Reihen, ist gewagt. Bereits gestern Vormittag meldeten sich sechs der 30 per Mail im Fraktionsverteiler. Einhelliger Tenor: „Ich bleibe bei meiner Ablehnung.“ MATTHIAS URBACH

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