: Innensenator macht mobil
Für den Objektschutz in Berlin kündigte Ehrhart Körting gestern den Einsatz der Bundeswehr an. Bundesinnenminister Schily sieht derzeit aber keinen Anlass für einen Einsatz. Grüne: Nicht mit uns
von HEIKE KLEFFNER, PLUTONIA PLARRE und UWE RADA
Ehrhart Körting (SPD) macht Ernst. Wenn sich die Sicherheitslage zuspitze, sagte der Innensenator auf der gestrigen Sitzung des Innenausschusses, zähle er auf die Hilfe der Bundeswehr beim Objektschutz in der Hauptstadt. „Wenn es erforderlich ist, wird man das kurzfristig realisieren können“, sagte Körting. Das Ziel der Maßnahme sei, die Berliner Polizei „zu entlasten, damit sie schlagkräftig bleibt“. Nach Bayern ist Berlin damit das erste Bundesland, dass den Einsatz der Streitkräfte für die innere Sicherheit angekündigt hat.
Sein Vorhaben begründete Körting damit, dass bei einem militärischen Gegenschlag der USA sich die Sicherheitslage in der Hauptstadt zuspitzen werde. „Nach eindeutiger Aussage des Grundgesetzes“ könne die Bundeswehr nicht nur im Kriegsfall eingesetzt werden, sondern auch, wenn die Länderpolizeien einen entsprechenden Schutz von Zivilobjekten nicht mehr gewährleisten könnten. Ein entsprechendes Vorgehen sei bereits auf der Schaltkonferenz der Länderinnenminister am 18. September ins Auge gefasst worden. Allerdings erklärte Bundesinnenminister Otto Schily gestern, er sehe derzeit keine „Bedrohungslage“, die den Einsatz von Soldaten rechtfertige.
Während die grünen Vertreter im Innenausschuss Körtings Ankündigung ohne Widerspruch hinnahmen, meldete die grüne Spitzenkandidatin Sibyll Klotz gegenüber der taz ihren entschiedenen Widerspruch an. „Ein Bundeswehreinsatz im Innern wäre eine absolute Zäsur, die mit mir nicht zu machen ist.“ Klotz kündigte gleichzeitig an, dass das Thema auf der heutigen Senatssitzung angesprochen werde. „Wir werden über die eingeleiteten Maßnahmen sprechen“, sagte sie auch im Hinblick auf die Rasterfahndung gegen Studenten bestimmter Herkunftsländer, die in der letzten Woche begonnen hat.
Ähnlich wie Klotz äußerte sich auch Grünen-Landeschef Till Heyer-Stuffer. „Ein Bundeswehreinsatz im Innern wäre eine ganz gefährliche Konstellation.“ Heyer-Stuffer erinnerte an „ungute Erfahrungen in der deutschen Geschichte“, die wieder auftauchten, „wenn man Polizeiaufgaben mit Militäreinsätzen vermischt.“ Wenn die Berliner Polizei ihre Aufgaben nicht mehr bewältigen könne, so Heyer-Stuffer und Klotz übereinstimmend, müsse der Bundesgrenzschutz einen Teil der Aufgaben übernehmen. Genau das hatte Bundesinnenminister Otto Schily aber bereits abgelehnt.
Auf Widerstand stößt Körtings Ankündigung aber nicht nur bei der grünen Spitzenkandidatin und dem Landeschef der Grünen, sondern auch bei Bernhard Gertz, dem Bundesvorsitzenden des Deutschen Bundeswehrverbands. Die Bundeswehr sei „weder von der Ausbildung, der Struktur, noch der Personalstärke in der Lage, derartige Aufgaben zu übernehmen“, sagte Gertz der taz. Für den 56-Jährigen „trifft das Grundgesetz die richtige Aufgabenzuweisung für die Bundeswehr“. Anders als Berlins Innensenator hält Gertz die im Grundgesetz festgeschriebenen Bedingungen für einen Bundeswehreinsatz zum Schutz ziviler Objekte zurzeit nicht gegeben.
Der Vorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Eberhard Schönberg, sprach sich zunächst gegen einen Einsatz der Streitkräfte aus. Nach den Erfahrungen im Dritten Reich habe das Militär in den Reihen der Polizei nichts zu suchen. Wenn die Gesetzeslage eindeutig dafür spreche, werde man sich gegen eine Unterstützung der Bundeswehr aber nicht sperren. „Wir pfeifen aus dem letzten Loch“, sagte Schönberg mit Hinweis auf die vielen Überstunden. Derzeit stehen in Berlin 525 Einrichtungen unter besonderem Schutz.
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