: Halbzeit auf dem Berg
Zehn Jahre Stadterneuerung im Prenzlauer Berg: In einem der Schwerpunktgebiete der Berliner Stadtentwicklung hat durch die öffentlich geförderte Sanierung ein gravierender sozialer Wandel stattgefunden. Vielen Anwohnern ist die Miete zu hoch
von LARS KLAASSEN
Wie kaum ein anderer Stadtteil Berlins hat sich der Prenzlauer Berg nach dem Mauerfall gewandelt. Anders als etwa am Potsdamer Platz vollzog sich diese Metamorphose nicht durch spektakuläre Neubauprojekte auf städtischen Brachen. Vielmehr war es die Altbausanierung im großen Stil und damit einhergehender sozialer Wandel durch Zu- und Abwanderung, der den Kiez binnen weniger Jahre nachhaltig umformte. Und dieser Prozess ist noch lange nicht beendet. Auf rund 20 Jahre veranschlagen die Stadtplaner das Sanierungsprojekt Prenzlauer Berg. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, das Bezirksamt und S.T.E.R.N., die „Gesellschaft der behutsamen Stadterneuerung“, riefen mit einer Ausstellung im Sommer die „Halbzeit“ aus, um Bilanz über den bisherigen Stand der Stadterneuerung zu ziehen.
Als der Senat 1992 das erste Gesamtberliner Stadterneuerungsprogramm beschloss, fiel der Startschuss. Ab 1993 wurden 22 neue Sanierungsgebiete mit 82.000 Wohnungen festgelegt. Allein fünf dieser Areale befinden sich im Prenzlauer Berg. Die Sanierungsgebiete Helmholtzplatz, Kollwitzplatz, Teutoburger Platz, Winsstraße und Bötzowstraße umfassen 32.000 Wohnungen, in denen über 48.000 Menschen leben. Damit wurde der Prenzlauer Berg mit seinen über 130.000 Einwohnern zu einem Schwerpunktgebiet der Berliner Stadtentwicklung.
Zu Beginn der Sanierung hatten 22 Prozent der Wohnungen eine Außentoilette, 43 Prozent hatten kein Bad und 88 Prozent waren mit Kohleofen ausgestattet. Inzwischen haben rund ein Drittel des Wohnungsbestandes der Sanierungsgebiete Vollstandard, also Bad, Zentralheizung und ausreichende Versorgungsleitungen. Der Erneuerungsstand in den verschiedenen Gebieten schwankt indes erheblich: Während im Sanierungsgebiet Kollwitzplatz rund die Hälfte des Wohnungsbestandes erneuert sind, liegt der Anteil im Sanierungsgebiet Winsstraße erst bei 21 Prozent.
Berlin, so die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung, werde sich auch künftig bemühen, „trotz schwieriger Haushaltslage die öffentliche Förderung von Wohnhäusern in angemessenem Umfang weiterzuführen“. Klar ist aber dennoch, dass die private Erneuerung einen wachsenden Stellenwert einnehmen wird. Die große Herausforderung für die Stadtentwickler besteht in den kommenden Jahren daher darin, diesen Prozess sozialverträglich zu steuern. Im Zeitraum von 1991 bis 1999 war das Verhältnis von freifinanzierter zu öffentlich geförderter Erneuerung mit 48 zu 52 Prozent noch nahezu ausgewogen. Seit 1998 überwiegt die private Finanzierung mit einem Anteil von rund 75 Prozent. Dieser Anstieg war kurzfristig vor allem auf das Auslaufen des Fördergebietsgesetzes zum Jahreswechsel 1998/99 zurückzuführen. Steuerliche Abschreibungsmöglichkeiten wiederum beförderten auf der anderen Seite den Anteil privater Investitionen.
Ein Drittel der betroffenen Haushalte ist mit der privaten Modernisierung zufrieden, ein Fünftel hingegen zeigte sich aber unzufrieden: Ihnen war die anschließend zu zahlende Miete zu hoch, wie eine im Jahr 1998 erstellte Studie des Stadtforschungsinstituts TOPOS zu den nördlichen Altbauquartieren im Prenzlauer Berg ergab.
Die öffentlichen Förderprogramme „Soziale Stadterneuerung“ und „Wohnungspolitische Selbsthilfeprojekte“ sollen auch künftig die Altbausanierung sowie soziale und kulturelle Aktivitäten unterstützen. Von 1990 bis 2000 erbrachten im Prenzlauer Berg 600 Millionen Mark Förderung im Rahmen dieser Programme eine Gesamtinvestition von rund 1 Milliarde Mark. Der Ausbau der sozialen Infrastruktur in Form von Erneuerung der Schulen, Kitas, Grün- und Freiflächen ist dagegen erheblich langsamer in Gang gekommen. Häufig fehlten die finanziellen Mittel und die benötigten Freiflächen. In diesen Bereich soll deshalb künftig ein wesentlicher Anteil der öffentlichen Mittel fließen. Eines der wichtigen Ziele ist es, den öffentlichen Raum so umzugestalten, dass diese innerstädtischen Wohngebiete erhalten und auf Dauer auch für Familien attraktiv bleiben.
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