: Gefahr für Gülle
Nach der Streichung von Subventionen fürchtet die Biogas-Branche den Einbruch. Das trifft auch Bauern
FREIBURG taz ■ Der Aufschwung der erneuerbaren Energien gilt als ein Highlight der rot-grünen Regierung. Doch nun ist dieser Erfolg gefährdet: Änderungen der Förderrichtlinien im Marktanreizprogramm drohen die noch junge Biogas-Branche in die Krise zu treiben. „Wenn wir nicht bald ein positives Signal bekommen, wird der Schaden irreparabel“, sagt der Geschäftsführer des Fachverbandes Biogas, Claudius da Costa Gomez.
Was ist passiert? Am 25. Juli hatte die Bundesregierung die Förderung für den Bau von Biogasanlagen, die zuvor bei bis zu 30 Prozent gelegen hatte, abrupt beendet. „Definitiv tot“ sei seither die Hofbiogasanlage, klagt der Fachverband Biogas. Lediglich in der Leistungsklasse ab 150 Kilowatt würden noch Anlagen geplant – viel zu groß für einen Landwirt. Somit leidet nicht nur der Maschinenbau unter dem Förderstopp, sondern auch die Bauernschaft, der eine Biogasanlage ein langfristig sicheres und subventionsfreies Einkommen bietet.
2.000 Arbeitsplätze habe die Biogas-Branche mit derzeit 75 Megawatt installierter Leistung in den vergangenen Jahren geschaffen, sagt Markus Ott, Vizepräsident des Fachverbandes. Damit gebe die Bioenergie, gemessen an der Kraftwerksleistung, deutlich mehr Menschen einen Job, als es die Atomenergie tut.
Doch erstmals seit dem Regierungswechsel kursiert in der Biogas-Branche nun das Wort Entlassung. „Eine Umfrage bei Herstellern hat ergeben, dass der Branche ein Drittel des Jahresumsatzes 2001 wegbricht“, sagt Ott. Für 2002 rechnet die Branche sogar mit einem Umsatzrückgang von 50 Prozent: „Die Bundesregierung zieht uns den Boden unter den Füßen weg.“
Dabei ist Biogas die unumstrittenste erneuerbare Energie: Gegenargumente wie der Landschaftsschutz bei der Windkraft oder der Gewässerschutz bei der Wasserkraft gibt es beim Biogas nicht. Denn die Anlagen nutzen schlicht die Gülle der Bauernhöfe zur Energiegewinnung. Sie sind der ideale Ersatz für die Atomkraft: Biogas ist Grundlast – die Anlagen können, ebenso wie Atomkraftwerke, rund um die Uhr laufen.
So herrscht nur Kopfschütteln in der Branche über das kopflose Tun von Wirtschaftsminister Werner Müller (parteilos). „Deutschland ist heute in der Biogasbranche technologisch weltweit Vorreiter“, sagt Ott, und fügt – an den Minister gerichtet – hinzu: „Wer von der Verbesserung der Exportfähigkeit redet, der kann doch nicht gleichzeitig durch seine Politik eine so innovative Branche kaputt machen.“
Nachdem die rot-grüne Bundesregierung Mitte November das Marktanreizprogramm für erneuerbare Energien von ursprünglich 300 auf 400 Millionen Mark aufgestockt hat, wird sie einige der Kürzungen vom Juli demnächst wieder zurücknehmen. Details sollen in den kommenden Wochen entschieden werden. Derzeit jedoch gibt das Wirtschaftsministerium wenig Anlass zur Hoffnung, dass Biogas wieder in das Programm aufgenommen werden könnte – die Branche habe keine Investitionszuschüsse mehr nötig, heißt es dort.
Eine Behauptung, die der Fachverband dementiert: Erst ab einer Leistung von 200 Kilowatt könnten derzeit Biogasanlagen ohne Förderung kostendeckend betreiben werden. Deshalb hat der Verband einen Kompromiss vorgeschlagen, der weniger Förderung für große Anlagen akzeptiert, zugleich aber auch Kleinanlagen wirtschaftlich tragbar macht. So schlägt er für kleine Anlagen etwa 30 Prozent Zuschuss vor. Für größere Anlagen könne die Förderung schrittweise sinken und oberhalb von 200 Kilowatt gänzlich auslaufen. Doch bislang, klagt Ott, werde in der Bundesregierung der Vorschlag des Fachverbandes noch nicht einmal diskutiert.
BERNWARD JANZING
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