: Auch die europäischen Gesandten müssen draußen bleiben
Der EU-Delegation wurde der Zugang zu Arafat verwehrt. In der Regierung und in der israelischen Öffentlichkeit formiert sich der Widerstand gegen Scharons Kriegspolitik
JERUSALEM taz ■ Die von Israel verhängte Isolation von Palästinenserführer Jassir Arafat erreichte neue Ausmaße, als gestern eine Delegation der Europäischen Union nicht zu ihm vorgelassen wurde. Der außenpolitische EU-Beauftragte Javier Solana und der spanische Außenminister Josep Piqué trafen am Nachmittag mit Israels Außenminister Schimon Peres und Verteidigungsminister Benjamin Ben-Elieser zusammen. Ob Premierminister Scharon dem amerikanischen Nahost-Beauftragten Anthony Zinni ein Treffen mit dem Palästinenserführer erlauben würde, blieb zunächst unklar. Die USA drängen unterdessen nicht nur auf eine Aufhebung der Isolation Arafats, sondern befürworten zudem eine baldige Aufnahme politischer Verhandlungen parallel zur Sicherheitskooperation zwischen beiden Seiten. Israel forderte stets eine vorherige Feuerpause.
Der Besuch der EU-Delegation wurde überschattet von einer weiteren Ausweitung der Militäroperation. In der Nacht besetzten israelische Soldaten die Stadt Nablus. Mit Ausnahme von Jericho und Hebron sind nun alle palästinensischen Städte sowie zahlreiche Dörfer zur militärischen Sperrzone erklärt worden. Journalisten ist der Zugang verwehrt.
Die Invasion in Nablus verlief nicht ohne Widerstand. Einer Mitteilung des israelischen Militärs zufolge starb eine Frau bei der Explosion eines „von palästinensischen Elementen hergestellten Sprengsatzes“. Insgesamt wurden in den vergangenen sieben Tagen weit über tausend Palästinenser inhaftiert. Schwere Gefechte fanden erneut in der Stadt Bethlehem statt. Berichte über eine Stürmung der Geburtskirche, in die sich mehrere hundert palästinensische Aktivisten geflüchtet hatten, wurden indes von Israel dementiert.
Der Besuch der EU-Delegation stößt auf palästinensischer Seite auf bedingte Hoffnung. Während Planungsminister Nabil Shaath glaubt, dass „nur die Amerikaner Einfluss auf Israel ausüben können“, forderte die Parlamentarierin und Arafat-Vertraute Hannan Aschrawi von den Europäern, den Assoziierungsvertrag mit Israel aufzulösen. Die EU müsse „diplomatische Konsequenzen“ daraus ziehen, dass den Delegierten der Zutritt zum Büro Arafats verweigert wird. Vor Journalisten in Ost-Jerusalem appellierte Aschrawi zudem an die EU, Entschädigung für die von Europa finanzierten Einrichtungen der palästinensischen Autonomiebehörde zu fordern. Ferner sei der Einsatz von europäischen Beobachtern dringlicher denn je. Europa könne viel tun.
Der israelische Militärexperte Mark Heller vom Jaffee-Zentrum für Strategische Studien ist davon überzeugt, dass „alles von den USA abhängt“. Die Reaktionen „aller anderen Staaten“ seien absehbar und nicht relevant. Damit spricht Heller auch auf die arabischen Staaten an, die unterdessen ihren Ton Israel gegenüber deutlich verschärfen.
Ägypten kündigte das Einfrieren aller Regierungskontakte an, wobei die Botschaften in Kairo und Tel Aviv vorerst nicht geschlossen werden sollen. Der jordanische Außenminister Marwan Muascher erklärte gegenüber der BBC: „Die israelische Militäroperation bedroht das Leben aller moderaten arabischen Staaten.“
Auch innerhalb der israelischen Öffentlichkeit werden zunehmend Stimmen der Kritik gegen die Regierung laut. In einer außerordentlichen Parlamentsdebatte zur Sicherheitslage, bei der nur 35 der insgesamt 120 Abgeordneten anwesend waren, erklärte Oppositionsführer Jossi Sarid (Meretz), dass der Terror bekämpft werden müsse, aber „nicht auf diesem Weg“. Die Operation der Verteidigungsarmee sei „kontraproduktiv“. Tourismusminister Benni Elon (Nationale Einheit) schimpfte Sarid einen „Feind des jüdischen Volkes“. Friedensaktivisten, die mit Plakaten wie „Scharons Küchenkabinett kocht einen neuen Libanon“ demonstrierten, wurden von der Sitzung ausgeschlossen.
Am Morgen hatte das Sicherheitskabinett entschieden, auf die Angriffe der Hisbullah an der libanesisch-israelischen Grenze zu reagieren. In den vergangenen Tagen war es dort wiederholt zum Beschuss mit Katjuscha-Raketen gekommen. SUSANNE KNAUL
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