: Schmiergeld bei Müllanlagen
Fünf Jahre Haft wegen Steuerhinterziehung für viel beschäftigten Hamburger Ingenieur. Er bleibt dennoch schweigsam
HAMBURG taz ■ Beim Bau von Müllverbrennungsanlagen in Deutschland ist über Jahrzehnte kräftig geschmiert worden. Das ist bei der gestrigen Urteilsverkündung im Strafprozess gegen den Hamburger Ingenieur Hans Reimer deutlich geworden. Reimer wurde vom Hamburger Landgericht wegen der Hinterziehung von 6,5 Millionen Mark Steuern zu fünf Jahren Haft verurteilt.
Insgesamt soll Reimer 29,5 Millionen Mark hinterzogen haben, von denen der größte Teil jedoch strafrechtlich verjährt ist. Das Geld stammt aus Provisionen, die sich der Ingenieur nach Auffassung des Gerichts für das Zuschanzen von Aufträgen hat zahlen lassen. „Man hat hier den Eindruck, als würden von einer bestimmten Größenordnung an die Gesetze nicht mehr gelten“, sagte der Vorsitzende Richter Klaus Rühle. Reimers Verteidiger hat Revision angekündigt.
Reimer war in den 80er- und 90er-Jahren eine zentrale Figur im Geschäft mit den Müllverbrennungsanlagen. Als Mitinhaber des Planungsbüros Göpfert, Reimer & Partner (GRP) war er am Bau jeder zweiten deutschen MVA beteiligt. Seine Firma erstellte im Auftrag der Kommunen die Ausschreibungsunterlagen und wertete die Angebote aus. Zugleich beriet Reimer die Anlagenbauer – wofür er bezahlt wurde. Das Geld wurde nach Erkenntnissen des Gerichts in Briefkastenfirmen gewaschen und schließlich am deutschen Fiskus vorbei auf Reimers Sparkassenkonto im österreichischen Bludenz verfrachtet.
Wie das Geschäft lief, illustriert schlaglichtartig ein Brief, den Reimer nach seinem Ausscheiden aus der Firma an GRP schrieb. „Nur mit einem Beziehungsgeflecht zwischen Politik und maßgeblichen Leuten der Herstellerfirmen“ werde es gelingen, eine Position zu verteidigen, die dem entspreche, was die Firma in den vergangenen 20 Jahren äußerst erfolgreich praktiziert habe. Dieses „Old Boys Network“ aufzugeben sei „instinktlos“, schimpfte Reimer.
Das Gericht stützte sich auf Zeugenaussagen und handschriftliche Notizen Reimers. Diese waren der Staatsanwaltschaft bei einer Hausdurchsuchung im Rahmen eines Korruptionsverfahrens in die Hände gefallen. Richter Rühle wies anhand von Rechnungen, Kalendereintragungen und Buchungsdaten im Einzelnen nach, dass sich die Notizen, die laut Reimer lediglich Umsatzerwartungen widerspiegelten, auf tatsächliche Zahlungen bezogen. Rühle: „Der Angeklagte hat uns hier Märchengeschichten erzählt.“ Reimers Anwalt Johann Schwenn beschwerte sich anschließend, das Gericht habe die Motive der Belastungszeugen nicht berücksichtigt, die selbst etwas zu verbergen hätten.
Reimer hatte der Hoffnung von Beobachtern zum Trotz nicht mitgeteilt, an wen das Schmiergeld geflossen sein könnte, wenn nicht an ihn. Sein Anwalt erklärte das damit, dass sein Mandant schließlich „nicht als Beweiswürdiger gefragt“ gewesen sei. Im Übrigen habe ein anderer Zeuge die Aussage zur angeblichen „Beatmung“ von kommunalen Entscheidungsträgern verweigert. Das sei Hinweis genug auf Zahlungen.
GERNOT KNÖDLER
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