wahlgekämpft: Hamburg klaut sich seinen Mietenmelder von der Linken
Kurz vor der Bürgerschaftswahl hat Hamburg einen „Mietenmelder“ eingeführt – eine digitale Plattform, über die Mieter verdächtig hohe Mieten bei den Bezirksämtern melden können. Stadtentwicklungssenatorin Karen Pein (SPD) bezeichnet das System als „wichtiges digitales Angebot für den Schutz von Mieterinnen und Mietern“. Mieter:innen können ihre Zahlungen mit der ortsüblichen Vergleichsmiete abgleichen und mögliche Überhöhungen melden. Bei Abweichungen von mehr als 20 bis 50 Prozent müssen die Bezirksämter aktiv werden, Vermieter:innen zur Rechenschaft ziehen und im Extremfall Bußgelder verhängen. Bei über 50 Prozent Überhöhung droht eine strafrechtliche Verfolgung.
Dass Hamburg diesen Schritt geht, ist richtig und längst überfällig. Auch der Mieterverein zu Hamburg begrüßt das neue Angebot und ruft dazu auf, es zu nutzen.
Aber warum kommt der Mietenmelder ausgerechnet jetzt? Die Behörde verweist auf eine zeitaufwendige Programmierung. Das überzeugt angesichts der langjährigen Problematik überhöhter Mieten nicht. Es drängt sich der Verdacht auf, dass es sich um einen Wahlkampf-Schachzug handelt: Das Thema Wohnen zählt zu den zentralen Wahlkampfthemen der Linken in Hamburg. Von der Linken stammt auch die Idee, überhöhte Mieten zu melden, bundesweit setzt sie schon länger auf ein digitales System. Ihre „Mietwucherapp“ konnte bis Ende Januar 2025 über 50.000 Fälle von überhöhten Mieten registrieren. Es scheint, als habe der Senat das Thema vor der Wahl neu entdeckt. Die Stadtentwicklungsbehörde widerspricht: Mieterschutz habe „nicht erst seit gestern eine hohe Relevanz“.
Heike Sudmann von der Linksfraktion begrüßt das Vorgehen des Senats: „Es ist schön zu sehen, dass die linke Mietenpolitik Verbesserungen für die Mieter*innen bringt“, sagt sie zur taz. Sie betont: „Nachdem mehrere Hundert Meldungen über die Mietwucher-App der Linken bei den Bezirksämtern eingegangen sind, musste der Senat handeln.“ Sie fordert eine schnelle Einrichtung der versprochenen Anlaufstelle zur Mieterberatung und kritisiert, dass die SPD diesen Aspekt nicht einmal in ihrem Wahlprogramm erwähnt habe. Der Senat könne zugeben, dass die Linke als Vorbild gedient hat, so Sudmann.
Der Mietenmelder könnte ein effektives Werkzeug sein, um Wuchermieten zu bekämpfen – wenn er ernsthaft umgesetzt und weiterentwickelt wird, um wirklich etwas gegen überhöhte Mieten zu unternehmen. Nur dann kann er von einem Wahlkampfversprechen zu einem echten Instrument des Mieterschutzes werden. Erst nach der Wahl wird sich zeigen, ob der Mietenmelder tatsächlich Wirkung entfaltet oder ob er lediglich ein politischer Schachzug ist, um der Linken – die laut der jüngsten Umfrage in Hamburg mit 13 Prozent der Stimmen rechnen kann – den Wind aus den Segeln zu nehmen. Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) sollte sich daher hüten, wie zuletzt nach der Bundestagswahl die Linke anzugreifen. Am Ende ist das Original immer besser als die Nachbildung. Esther Erök
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen