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umweltfreundliche verkehrspolitikZurück auf die Schiene!

Die Städte von Verkehrsstaus und Schadstoffbelastung befreien? Das könnte gehen – wenn die Bahn ihre innerstädtischen Güterbahnhöfe wieder aktiviert

Uwe Höft

ist Professor für Marketing und Innova­tionsmanagement an der Technischen Hochschule Brandenburg. Er ist Herausgeber des Privatbahn Magazins und von Zukunftsbranche Bahn.

Die Eisenbahn spielt bei der Versorgung deutscher Städte heute kaum noch eine Rolle. Innerstädtische Güterbahnhöfe liegen seit Jahren brach und viele Gleisanschlüsse wurden seit der Bahnreform 1994 stillgelegt. Dabei werden innovative und emissionsarme City-Logistik-Konzepte eigentlich dringend gebraucht. Es bräuchte dafür aber entsprechende Umschlagflächen in den Städten. Diese werden knapp, da die ehemaligen Eisenbahnflächen immer mehr zu begehrten Immobilienstandorten geworden sind. Der Druck der Stadtplaner und Immobilienprojektentwickler, diese Flächen zu bebauen, nimmt stetig zu. Wenn jetzt nicht ein radikales Umdenken einsetzt und diese Flächen für Logistik auf der Schiene gesichert werden, dann ist der Zug für die klimafreundliche Güterbahn in den Städten endgültig abgefahren.

Schaut man sich heute um, so verstopfen Lkws und Lieferfahrzeuge die Innenstädte. Zugeparkte Radwege, Busspuren und Staus sind die Folge. Ein Treiber ist der wachsende Onlinehandel, der dafür sorgt, dass immer mehr Pakete und Stückgüter transportiert werden. Die Belieferung des Einzelhandels, der Kaufhäuser und der Supermärkte, aber auch der Restaurants, Gaststätten, Baustellen usw. erfolgt auf der Straße. Zunehmender Lkw-Verkehr in den Städten bedeutet, dass es mehr Unfälle gibt. So stirbt jährlich eine Vielzahl von Radlern, weil technische Systeme wie Kameras aus Kostengründen nicht verbaut sind. Schließlich belastet der Güterverkehr auf der Straße zu einem erheblichen Anteil unsere Städte mit Schadstoffen, Feinstaub und Lärm. Urbane Lebensqualität sieht anders aus.

Die Folgen des Klimawandels und die damit verbundenen ehrgeizigen Ziele des Pariser Klimaabkommens mit den entsprechenden CO2-Minderungs-Zielen machen es nötig, über neue Konzepte nachzudenken. Dabei kann die umweltfreundliche Bahn eine wichtige Rolle spielen. Um aber eine innovative und emissionsarme Logistik auf der Schiene umzusetzen, bedarf es entsprechender Umschlagflächen in den Städten. Es geht also darum, die Logistik mit der Eisenbahn neu zu erfinden und dafür Sorge zu tragen, dass auch kleinteilige Güter so weit wie möglich mit der Bahn bis in die Zentren gebracht werden.

Die Eisenbahn hat sich aus dem Geschäft mit Express- und Stückgütern völlig zurückgezogen. Früher gab es überall in der Stadt Güterbahnhöfe, wo diese Güter umgeschlagen wurden. Nur hat die Bahn nicht investiert, und mit Gebäuden aus der Kaiserzeit konnte man im Wettbewerb nicht mehr mithalten. Angesichts des dramatischen Rückgangs an Anschlussgleisen und der verschiedenen Kostensenkungsprogramme im Schienengüterverkehr ist der Wagenladungsverkehr in seiner Existenz gefährdet. Nach wie vor verlagern Unternehmen Ladung auf den Lkw. Jüngstes Negativbeispiel ist Ford. Das Unternehmen stellte den dreimal wöchentlich verkehrenden Zug zwischen einem Kunststoffteile-Zulieferer in Berlin-Zehlendorf und dem Werk in Köln im Sommer ein.

Viele ehemalige Güterbahnhöfe liegen wegen fehlender Konzepte und Nutzung brach. Die Deutsche Bahn hat die Städte abgehängt. Die großen innerstädtischen Flächen haben überall in der Republik die Begehrlichkeiten der Immobilienbranche und der Stadtplaner geweckt. Viele Grundstücke befinden sich nicht mehr im Eigentum der DB und sind inzwischen verkauft. Herausragendes Beispiel für ein solches Immobilienprojekt ist Stuttgart 21, wo innerstädtische Flächen der Eisenbahn entzogen werden. In Berlin wird gerade der Güterbahnhof in Steglitz überbaut. In Berlin-Halensee gibt es jetzt einen großen Baumarkt, der ausschließlich auf der Straße beliefert wird. Und in Berlin-Moabit befinden sich auf dem Gelände des Güterbahnhofs eine Entlastungsstraße mit zwei Gastro-Großmärkten, ein Lebensmitteldiscounter und ein Baumarkt. Auch in Tübingen und Heidelberg sind Bahnflächen zugunsten neuer Stadtquartiere komplett verschwunden. Die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Die großen Paket- und Logistikdienstleister wie DHL und Hermes setzen derweil auf den Lkw. Gleiches gilt für Amazon, Zalando und Co. Die neuen Lagerhäuser und Paketzentren werden in der Nähe von Autobahnen gebaut. Für einen Bahnanschluss interessiert sich hier niemand – die Versorgung der Städte haben Lastwagen und Lieferwagen, sogenannte White Vans, übernommen. Ehemalige Bahnkunden sind abgewandert und die Gleisanschlüsse rosten vor sich hin. So auch der Großmarkt am Berliner Westhafen, wo das Obst und Gemüse für die Stadt zu 100 Prozent auf der Straße ankommt.

Das Geheimnis der Logistik besteht in der Kunst der Konsolidierung (Bündelung von Mengen) sowie der Organisation schneller und wirtschaftlicher Durchführung von Prozessen. In Zukunft wird es auch darum gehen, dass Transporte die Anforderungen an eine grüne emissionsarme beziehungsweise emissionsfreie Logistik erfüllen müssen.

Früher gab es überall in der Stadt Bahnhöfe für den Warenumschlag. Doch die Bahn hat die Städte abgehängt

Das könnte folgendermaßen aussehen: Außerhalb der Stadt im Bereich von Güterverkehrszentren oder auch Rangierbahnhöfen werden die auf der Schiene ein- und ausgehenden Sendungen nach Richtungen beziehungsweise Empfängern vorsortiert und gebündelt. Von diesen Terminals verkehren dann mehrmals täglich Shuttle-Züge mit speziellen City-Containern zu den innerstädtischen Umschlagplätzen (City-Terminals). Dort erfolgt dann ein Umschlag auf kleine und mittelgroße Straßenfahrzeuge für die allerletzte Meile. Diese Fahrzeuge sind mit emissionsfreien Elektroantrieben (Batterie oder Brennstoffzelle) ausgerüstet und übernehmen dann die Zustellung auf der allerletzten Meile.

Solche Konzepte sind durchaus realisierbar – aber nur dann, wenn ein Umdenken bei Bahn, Bundesregierung und Unternehmen einsetzt. Angesichts der Luft- und Verkehrsbelastung in den Städten wäre es höchste Zeit.

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