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taz wird„Ich erwarte nicht, dass Trump eine Diktatur errichtet“

Der taz Salon in Hamburg denkt über die Folgen der US-Wahl nach

Interview Benno Schirrmeister

taz: Einer von Donald Trumps Ärzten behauptet, der Mann könnte 200 Jahre alt werden. Müssen wir uns darauf einstellen, dass er die Amtszeitbeschränkung beseitigt, Bernd?

Bernd Pickert:Nee, davon gehe ich jetzt wirklich nicht aus. Ich glaube allerdings auch nicht, dass Trump wirklich 200 Jahre alt wird: Es gab ja auch bei ihm im Wahlkampf durchaus Anzeichen von Verwirrung, wenn auch nicht so ausgeprägt wie bei Joe Biden. Ich denke, es ging ihm darum, diese zweite Amtszeit zu bekommen, und das hat er jetzt geschafft. Wie es dann weitergeht, ist ihm selbst wahrscheinlich wurscht. Ich erwarte aber nicht, dass Trump wirklich die Demokratie direkt angreift und eine Diktatur errichtet. Er und seine Entourage werden alle möglichen anderen Dinge anstellen.

taz: Was denn?

Pickert: Er wird die Verwaltung auf Linie bringen, und zwar in einer weit massiveren Weise, als wir es sonst kennen.

taz: Also so, wie es das „Project 2025“-Programm der Heritage Foundation, des trumpistischen Thinktanks, vorsieht?

Foto: Kathrin Windhorst

Bernd Pickert

Jahrgang 1965, seit 1994 taz-Redakteur mit Spezialgebiet USA, hat mit Trump nur die Vorliebe für Mixed Martial Arts gemein.

Pickert: In die Richtung wird es gehen, auch wenn nicht klar ist, wie weit sie damit kommen. Normal ist, dass bei einem Regierungswechsel die Leitungsebene der Behörden ausgetauscht wird. Das bewegt sich immer so in der Größenordnung von vielleicht 4.000 Führungskräften. Aber in dem 2025-Paper ist ja die Rede davon, Ver­wal­tungs­angestellte bis runter in die Sachbearbeiter-Ebene durch loyale Trumpisten zu ersetzen. Wenn man das zusammenrechnet, kommt man auf etwa 50.000, die ausgetauscht würden. Wenn dann noch die Justiz in Gänze auf Linie gebracht wird, wird es richtig haarig. Die Folgen dieses Umbaus werden jedenfalls auch die Person Donald Trump überdauern.

taz: Ist diese extrem gesinnungsbezogene Personalpolitik nicht total unamerikanisch?

Pickert: Na ja, was heißt unamerikanisch? Es ist halt sehr trumpistisch. Es geht um die Beseitigung dessen, was deren Verschwörungserzählung als den „deep state“ bezeichnet, als den Teil der staatlichen Organisation, den niemand gewählt hat.

taz: „Marxistisch unterwandert“ nennt sie das „Project 2025“-Buch … Aber lähmt diese Beseitigung von Kompetenz nicht die Verwaltung?

taz Salon „Wie weiter mit Donald Trump?“, mit Ulrike Hermann und Bernd Pickert: heute, 19 Uhr, Haus 73, Schulterblatt 73, Hamburg, Anmeldung erforderlich. Der Salon ist ausverkauft, wird aber über taz.de/salon gestreamt

Pickert: Das kann gut sein. Da geht es ja um diejenigen, die den Apparat am Laufen halten. Aber das entspricht ja auf ideologischer Ebene den Vorstellungen der trumpistischen Bewegung, die gekennzeichnet ist durch eine regelrechte Ablehnung von Staat an sich. Der Staat soll möglichst klein und schwach sein. Das ist auch etwas, was Trump mit einem Alliierten wie Elon Musk vorantreiben wird. Der wird ja als so etwas wie der Beauftragte für Regierungseffizienz gehandelt und verkündet schon, er sehe zwei Billionen US-Dollar – also wirklich Trillions! – an Einsparpotenzial. Das kann nur bedeuten, funktionierende staatliche Stellen zu zerstören, außer in bestimmten Bereichen, wie etwa dem Militär.

taz: Auch vorgesehen ist eine regelrechte Zensur der Wissenschaft – also die Beseitigung aller Gender- oder Race-Forschung. Das klingt verfassungswidrig. Lässt es sich trotzdem umsetzen?

Pickert: Selbstverständlich. Gouverneur Ron de Santis hat ja in Florida den Kulturkampf zu seiner wichtigsten Aufgabe erklärt und führt dort an den Schulen vor, wie so etwas funktionieren kann. Das ist auch gar nicht so schwer. Diese Bereiche sind ja abhängig von staatlicher Zuwendung. Wenn es für Genderforschung einfach kein Geld mehr gibt, kommt das einem Verbot gleich. Das ist aber, ehrlich gesagt, noch nicht mal eine große Besonderheit: Wir haben ja auch hier gerade die Diskussion über die Antisemitismus-Resolution. Die bedeutet im Kern ja auch ein Reinregieren in Haltungen, wie und was zu lehren ist.

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