taz-Aprilscherz über Erdoğan: Keine Kalifenwitze, bitte!
Die Nachricht über Erdoğans Auftritt bei der AfD war ein Scherz. Die Türkische Botschaft dementierte und sandte einen Beschwerdebrief.
Die türkische Botschaft dementierte. In einem persönlichen Schreiben beschwerte sich der Botschaftsrat für Presseangelegenheiten bei der Chefredaktion und bat um eine Stellungnahme.
Dieser Bitte kam taz-Chefredakteur Georg Löwisch am Montag nach. Löwisch zeigte sich schuldbewusst: „Dass wir nicht mit der Botschaft der Türkei in Kontakt getreten sind, um die Angaben unserer Quellen auf ihren Wahrheitsgehalt zu überprüfen, wie Sie es kritisieren, trifft vollinhaltlich zu“, schrieb Georg Löwisch dem türkischen Botschaftsrat. „Der Grund dafür ist: Der Wahrheitsgehalt des Beitrags ist extrem niedrig.“
Aber dafür las er sich gut: Hintergrund der Wahlkampfhilfe Erdoğans für die AfD sei der Protest der Rechtspopulisten gegen den NDR und sein Satirevideo „Erdowie, Erdowo, Erdoğan“, schrieb Autor Rada. „Ein solcher ‚Märchen‘-Deal zwischen Kalif und von Storch würde für beide Seiten einen Gewinn bedeuten“, fabulierte er. „Erdoğan wäre zurück auf der politischen Bühne in Deutschland, und die AfD stünde erstmals auf der europäischen Bühne. Darüber hinaus könnte die Partei auch bei eingebürgerten Wählern türkischer Herkunft buhlen.“
Unumwunden räumt Löwisch nun ein: Die Informationsquelle der taz über den geplanten Erdoğan-Auftritt sei „die Phantasie unseres Autors Uwe Rada“ gewesen. Denn der Artikel sei „frei erfunden“. Dafür gebe es auch einen triftigen Grund: „Es handelt sich um einen Aprilscherz.“ Die Tradition des Aprilscherzes reiche bis ins siebzehnte Jahrhundert zurück, klärte der Chefredakteur der 1978 gegründeten Zeitung den türkischen Botschaftsrat auf.
Löwischs Schreiben schließt mit einem Zitat aus Mozarts Oper „La finta giardiniera“: „Glaubt nicht an die Lügen des losen Mädchens, sie will euch schicken in den April.“
Das Schmähgedicht
Georg Löwisch, Chefredakteur
Unterdessen hat Kanzlerin Angela Merkel ein im ZDF ausgestrahltes und dann wiedergestrichenes Schmähgedicht des Satirikers Jan Böhmermann über Erdoğan als „bewusst verletzend“ kritisiert. Das habe sie in einem Telefonat mit dem türkischen Ministerpräsidenten Ahmet Davutoglu am Sonntag deutlich gemacht, teilte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag in Berlin mit. Sie seien der gemeinsamen Ansicht, dass es sich um einen „bewusst verletzenden Text handelt“.
Merkel habe auf die Konsequenzen verwiesen, die der ausstrahlende Sender bereits gezogen habe. Ferner habe sie den hohen Wert bekräftigt, den die Bundesregierung der Presse- und Meinungsfreiheit beimesse. Diese sei aber nicht schrankenlos.
Das ZDF hatte in der Nacht zu Samstag in der Wiederholung von Böhmermanns Sendung „Neo Magazin Royale“ einen Beitrag gestrichen, der am vorigen Donnerstag auf ZDFneo erstmals ausgestrahlt worden war.
Böhmermann hatte das mit „Schmähkritik“ überschriebene Gedicht dort vorgelesen und selbst darauf hingewiesen, dass so etwas in Deutschland nicht erlaubt sei. Die Verse enthalten Formulierungen, die unter die Gürtellinie zielen. Außerdem wurde die Sendung nicht am 1. April ausgestrahlt.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Rechtspopulistinnen in Europa
Rechts, weiblich, erfolgreich
Buchpremiere von Angela Merkel
Nur nicht rumjammern
Stellungnahme im Bundestag vorgelegt
Rechtsexperten stützen AfD-Verbotsantrag
Wirkung der Russlandsanktionen
Der Rubel rollt abwärts
Frauen in der ukrainischen Armee
„An der Front sind wir alle gleich“
Landesparteitag
Grünen-Spitze will „Vermieterführerschein“