taz-Adventskalender: „Frohe Botschaft“ (12): Ein Paradies für ganze zwei Stunden​

VerkehrsaktivistInnen beruhigen an diesem Wochenende die immer stauanfällige Einkaufsmeile Friedrichstraße – ein kleines bisschen jedenfalls.

Ein himmlisches Gewusel herrscht auf der Friedrichstraße – oder doch nur Verkehrschaos? Foto: dpa

Besinnlichkeit im Dezember, das ist bekanntlich eine ausgewachsene Schimäre, zumal in der großen Stadt. Der Schenkdruck ist gewaltig, die Weihnachtsindustrie feuert aus allen Rohren. Wenn sich zu diesem gar nicht heiteren Trubel auch noch die unheiligen drei Könige Stau, Feinstaub und Motorenlärm gesellen, macht das alles keinen Spaß mehr.

Das haben sich auch die InitiatorInnen der „Flaniermitte“ gedacht und für das 3. Adventswochenende eine Demonstration auf der Friedrichstraße angemeldet – um Lust auf ein bisschen Autofreiheit zu machen. Zwischen 13 und 15 Uhr am Samstag fahren auf der ewig verstopften Kaufmeile zwischen Kronen- und Taubenstraße nur Velotaxis oder kleine Elektrofahrzeuge, vor allem aber darf man nach Lust und Laune herumspazieren, -sitzen oder auch -tanzen.

„Wir wollen zeigen, wie schön die Friedrichstraße ist, wenn sie den Menschen zur Verfügung steht“, sagt Matthias Dittmer vom Team hinter der Flaniermitte. „Wir haben das Gefühl, damit einen Nerv zu treffen.“ Es wird Aktionen für Kinder geben, sie können ihre Wünsche an eine menschengerechte Stadt auf die Straße schreiben oder malen. An der Kreuzung mit der Mohrenstraße wird ein „Speakers' Corner“ aufgebaut, wo über nicht-fossile Urbanität diskutiert wird. Angekündigt haben sich Politiker wie Bezirksbürgermeister Stephan von Dassel (Grüne), Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) und Harald Wolf, Verkehrsexperte der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, ebenso Vertreter vom ADFC und Changing Cities. Auch die Chefin der Böll-Stiftung, Ellen Ueberschär, schaut vorbei.

„Wir wollen einen Paradigmenwechsel erreichen, von der Autogerechtigkeit hin zur Stadt für Menschen“, heißt es im Demo-Aufruf. Eine Eintagsfliege soll die Aktion deshalb auch nicht bleiben, so Dittmer, der sich als Sprecher der grünen Landesarbeitsgemeinschaft Mobilität schon länger für eine Innenstadt ohne private Pkws starkmacht. Man habe auch den Abschnitt der Friedrichstraße zwischen den Linden und dem Bahnhof im Visier, ebenso den Hackeschen Markt. Und wenn erst einmal das historische Zentrum als „Gesicht der Stadt“ verkehrsberuhigt sei, lasse sich Ähnliches auch in den Bezirken einfacher durchsetzen.

Von „Fußgängerzonen“ mag Dittmer im Übrigen nicht reden, er findet, das klingt abwertend, irgendwie nach „Ostzone“. „Wir sprechen deshalb lieber von Fußgängerparadiesen.“ Gerade in den Ohren westdeutsche Provinzflüchtlinge hat „Fußgängerzone“ aber noch einen ganz anderen Klang, viele verbinden damit eine gesichtslose Handelskettenödnis, in der nach Ladenschluss das Leben versiegt. Wie man Innenstädte aus der Alleinherrschaft des Kommerzes befreit? Auch darüber kann am Samstag debattiert werden.

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