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taz-Adventskalender (1)„Die Tabakindustrie wirbt für den Tod“​

Die taz präsentiert in ihrem Adventskalender BerlinerInnen, die für etwas brennen. Hinter Türchen Nummer eins: der Nichtraucheraktivist Johannes Spatz.​ ​

Hinter dem taz-Adventskalendertürchen verbirgt sich nur Gesundes! Foto: dpa
Bert Schulz
Interview von Bert Schulz

Mein Ziel als Arzt ist es, möglichst viel dazu beizutragen, dass Krankheit und Tod verhindert werden. Die verbreitetste Krankheits- und Todesursache in der Bundesrepublik geht auf die Tabakindustrie zurück. Sie verkauft Zigaretten, sie wirbt dafür – und damit wirbt sie auch für den Tod.

Politisch aktiv geworden bin ich als Gesundheitsstadtrat in Wilmersdorf in der zweiten Hälfte der achtziger Jahre. Wir haben eine Gesundheitskampagne gemacht und versucht, etwas gegen Tabakwerbung zu unternehmen. Unsere Juristen haben uns gesagt: Da habt ihr keine Chance. Aber von denen haben wir uns nicht beirren lassen – das tun wir bis heute nicht.

Die Juristen haben das falsch interpretiert: Werbung auf der Straße darf dem öffentlichen Interesse nicht entgegenstehen, sonst gibt es dafür keine Erlaubnis. Inzwischen ist man auf den Trichter gekommen. Auf den meisten bezirkseigenen Flächen wird nicht mehr für Tabak geworben.

Wir haben auch Promotionsveranstaltungen für Zigaretten vor Unis gestoppt – das haben wir vom Forum Rauchfrei, dessen Sprecher ich bin, mit unserem Protest dagegen bewirkt. Ein schöner Erfolg.

Das Forum Rauchfrei ist ein Zusammenschluss von mehr als 100 Aktiven, vor allem aus dem Gesundheits-, Wissenschafts- und Sozialbereich. Wir gehen regelmäßig auf die Straße, aber wir fertigen auch Stellungnahmen für die Politik und klären auf über die Machenschaften der Zigarettenhersteller. Mir geht es darum, das Übel an der Wurzel zu packen und vor allem die existierende Partnerschaft zwischen Politik, Verwaltung und Zigarettenindustrie immer wieder anzuprangern.

Handgreifliche Vertreter

Im Interview: 

Johannes Spatz

74, ist Berlins bekanntester Nichtraucher-Aktivist. Der Arzt engagiert sich seit Jahrzehnten in verschiedensten Positionen gegen die Tabak-Lobby

Die Zigarettenindustrie ist nicht zimperlich im Umgang mit uns Kritikern. Auf der weltgrößten Tabakmesse in Dortmund ist eine Vertreterin mir gegenüber sogar handgreiflich geworden. Sie wollte mir einen Katalog entreißen, den ich dort erworben hatte. Die hatte mich erkannt. (lacht)

In unserer Gesellschaft steht leider der Profit an erster Stelle und nicht der Mensch oder die Gesundheit des Menschen. Rauchen ist eine Sucht: Je früher Sie anfangen, desto länger hängen Sie am Glimmstängel. Davon loszukommen ist sehr schwierig. Deswegen setzen wir uns dagegen ein, dass Zigaretten an Automaten für jeden erhältlich sind, dass sie so billig sind und so weiter. Deutschland ist da sehr zigarettenfreundlich, weil es so industrieaffin ist. Nirgendwo sonst in Europa ist Tabakwerbung in den Straßen noch erlaubt.

In unserer Gesellschaft steht leider der Profit an erster Stelle und nicht der Mensch.

Inzwischen fühle ich mich anerkannt als Anwalt gegen die Tabakindustrie. Wenn wir protestieren, dann sorgt das für Aufsehen und Reaktionen; wenn wir Sachen kritisieren, dann werden die oft verändert. Es gab den Fall, dass die Frau des Bundespräsidenten beim Bundespresseball für die Fotografen unter das Logo eines Tabakproduzenten gestellt wurde. Das sah aus, als würde sie dafür werben. Das hat sich nach unserem Protest nicht wiederholt. Sie geben es zwar nicht zu, aber es wiederholt sich auch nicht.

Nichtrauchen macht die Welt besser, weil die Menschen länger leben, auch im hohen Alter vergnügter sind und nicht unter den entsetzlichen Folgen des Rauchens leiden. Das ist schon etwas. Wenn kein Tabak mehr angebaut würde, gäbe es auch nicht mehr die Krankheiten der Tabakpflücker. Und die Menschen in der Tabakindustrie und die Zigarettenverkäufer wären ihr schlechtes Gewissen los.“

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1 Kommentar

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  • Nikotin ist ein starkes Suchtmittel, für Entzüge bei Sucht wären die Krankenkassen zuständig!

    Nikotinsucht ist eine Suchterkrankung wie andere auch und müßte auch so behandelt werden, klinische Entzüge, danach Therapie!

    Leider versäumten realitätsferne Aktivisten, diese Forderung, die wirklich etwas bewirken würde, den Menschen, die abhängig sind, wirklich helfen würde, statt sie zu stigmatisieren, in ihre Agenda aufzunehmen! Traurig!