spd-programmdebatte: Wowereit macht den Mini-Münte
Klaus Wowereit hat sich vermutlich lang überlegt, was er sagen wird auf der SPD-Programmkonferenz am Wochenende. Etwas Aufrüttelndes musste es sein, etwas Wahres, was jede Sozenseele rührt. Und also sagte Klaus Wowereit: Die Unternehmen sind schuld. Gierige Bosse treiben den Umsatz in schwindelerregende Höhen, dafür verlieren tausende Arbeiter ihren Job. Der Regierende drischt auf den Chemie-Giganten Bayer ein, weil der bei Schering ordentlich Stellen kürzen will. Wowereit macht den Mini-Münte (Heuschrecken!).
KOMMENTAR VON ULRICH SCHULTE
Natürlich steht es Sozialdemokraten gut zu Gesicht, wenn sie empörende Alltäglichkeiten einfach mal laut benennen. Wowereit hat recht mit seiner Unternehmensschelte. Aber: Sie wird niemandem mehr nutzen, nur noch Wowereit selbst. Seine brandheißen Thesen werden keinem Schering-Mitarbeiter den Vertrag verlängern, der SPD vielleicht aber ein paar Wählerstimmen bescheren. Es ist interessant, dass Politiker immer dann ihr Proletarierherz entdecken, wenn es längst zu spät ist.
Wowereits Aussagen erscheinen einmal mehr populistisch, da der rot-rote Senat bisher nicht durch eine besonders unternehmenskritische Politik aufgefallen ist. Im Gegenteil. Selbst nach dem vernichtenden Finanzurteil des Bundesverfassungsgerichts wehrte er sich dagegen, den Firmen eine höhere Gewerbesteuer zuzumuten. Während die Berliner die vollen Konsequenzen der Überschuldung des Landes zu spüren bekommen, brauchen Firmenchefs unter der rot-roten Wärmelampe nichts zu befürchten. Landespolitik hat kaum Einfluss auf die Entscheidungen global agierender Unternehmen. So ist noch etwas falsch an Wowereits starken Worten: Sie gaukeln Kraft und Handlungsfähigkeit vor, wo es keine gibt. Leider lebt Politik von dieser Suggestion.
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