spd gegen irak-krieg: Mieses Motiv, richtige Idee
Kanzler Gerhard Schröder votiert laut gegen einen möglichen Irak-Krieg. Dafür hagelt es Kritik von links und rechts. Alles unglaubwürdig, denkt an das Kosovo, rufen die einen, Antiamerikanismus die anderen. Doch Schröder und Co. haben Recht – wenn auch aus ziemlich zweifelhaftem Kalkül.
Kommentarvon STEFAN REINECKE
Niemand weiß, ob und wann die USA den Irak angreifen werden. Doch wir wissen, dass im Pentagon ernsthafte, realistische Pläne dafür existieren. Klar ist auch, dass dieser Krieg nach jetzigem Wissensstand reine Willkür wäre. Die US-Falken behaupten zwar, dass Saddam Hussein islamistische Terroristen unterstütze und über Massenvernichtungswaffen verfüge. Aber sie können es nicht beweisen. Deshalb wäre ein Krieg gegen Irak etwas fundamental anderes als der Golfkrieg 1991. Damals gab es, was heute fehlt: Kriegsgrund und -ziel, die Besetzung und Befreiung Kuwaits. Auch für den Kosovokrieg ließ sich ein wenn auch völkerrechtlich mehr als fragwürdiger Grund anführen: die akute Vertreibung der Kosovaren. Ein Angriff auf Bagdad hingegen wäre etwas Neues: ein Krieg auf Verdacht. Deshalb ist es richtig, wenn die SPD gegen einen neuen Irak-Krieg selbst mit UN-Mandat votiert – schon weil dieses Wort sich bald als höchst dehnbarer Begriff erweisen könnte.
In dieser Debatte gibt es ziemlich viel „wäre“ und „könnte“. Macht Rot-Grün zu viel Aufhebens von einem Krieg im Konjunktiv? Nein. Denn die Entscheidung wird sehr bald fallen. Ohne deutsche Überheblichkeit und auch eingedenk der Tatsache, wie klein die militärische Rolle der Deutschen bei einem Krieg gegen Bagdad wäre, kann man feststellen: Ein klares Nein aus Berlin wird gehört, wenn nicht in Washington, so doch in Paris. Schröder hat nur laut gesagt, was fast alle EU-Regierungschefs in Richtung USA flüstern: Nicht mit uns.
Rot-Grün hat, im Kosovo und in Afghanistan, die Normalisierung deutscher Außenpolitik durchgesetzt. Jetzt zeigen Schröder & Fischer, dass es gleichwohl keinen Kriegs-Automatismus gibt – und dass die Frage deutscher Beteiligung weder in Washington noch in New York entschieden wird. Das könnte eine große politische Geste sein. Doch sie kommt zu spät und folgt offensichtlich der Logik des Wahlkampfes. Rot-Grün braucht unbedingt ein neues Wahlkampfthema, deshalb stürzt sich die Regierung auf den Irak-Krieg. Der Eindruck bleibt zwiespältig: Der Kanzler hat etwas Richtiges gesagt – aus dem falschen Grund.
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