piwik no script img

petition der wocheFür Jürgen und Jürgen geht es jetzt um die Wurst

Anlass der Petition

Ein Imbissstand soll weg, weil der Platz, auf dem er steht, umgebaut wird

Das wollen die Initiatoren

Auf ihrem Stellplatz bleiben – oder jedenfalls in der Nähe

Das wollen sie wirklich

Retten, wofür sie die letzten drei Jahre gearbeitet haben

Jürgen Arendt ist noch mit den letzten Vorbereitungen beschäftigt, da warten schon die ersten Kunden vor seinem Imbisswagen im Leipziger Westen. „Der Glühwein ist noch nicht richtig heiß, aber setzt euch schon mal“, sagt er zu ihnen, während er abwechselnd Würste wendet und das Wechselgeld sortiert.

Arendts Laune könnte nicht besser sein, ein lockerer Spruch jagt den nächsten. Ganz zur Freude der jungen Frauen, die sich auf Englisch eine Bratwurst bestellen. „With or without Brötchen?“ fragt der 61-Jährige und wendet die nächste Wurst. Seit zweieinhalb Jahren stehen entweder er oder sein fünf Jahre älterer Lebensgefährte Jürgen Glissmann hier hinterm Grill, fast jeden Tag. „Wenn’s hoch kommt, haben wir so vier bis fünf Tage im Jahr geschlossen“, sagt Jürgen Arendt.

Geht es nach dem Leipziger Amt für Stadtgrün und Gewässer, müssen Jürgen und Jürgen ihren gleichnamigen Laden aber bald dauerhaft dicht machen. Der Karl-Heine-Platz, an dessen Eingang der Imbiss steht, soll ab Ende März für knapp vier Monate saniert werden. Für Jürgen und Jürgen ist dann kein Platz mehr – das bekamen die Imbissbetreiber in einem Schreiben mitgeteilt.

„Die machen uns einfach den Laden zu und haben noch nicht mal plausible Gründe“, sagt ­Arendt. In dem Schreiben heißt es lediglich, der Parkeingang solle nicht durch eine gastronomische Einrichtung optisch dominiert werden. Stattdessen könne man mit dem Wagen ja auf eine private Fläche in der Nähe ausweichen.

Das kommt für Arendt aber nicht in Frage: „Da kommt doch kaum jemand vorbei, da kann ich mich ja gleich in den Wald stellen.“ Außerdem wurde der Waffelstand mit seiner gastronomischen Einrichtung im Park bei der Planung des Umbaus auch integriert, sagt Arendt: „Und wir nicht. Das können wir so nicht hinnehmen.“

Also kämpfen Jürgen und Jürgen – schließlich haben sie hart für ihren Imbiss gearbeitet. Bevor sie im Mai 2016 zum ersten Mail den Grill angefeuert haben, waren beide länger arbeitslos, haben sich mit Gelegenheitsjobs durchgeschlagen und galten aufgrund ihres Alters als schwer vermittelbar. „Den ganzen Tag auf der Couch liegen, RTL 2 gucken und Sterni trinken – darauf hatte ich keinen Bock!“, sagt Arendt. Dann kam den beiden die Idee mit dem Imbissstand.

Es hat gedauert, bis Gäste kamen. Doch mittlerweile sind die beiden aus Leipzig-Lindenau nicht mehr wegzudenken. „Vom Landstreicher über den Professor bis hin zur Prostituierten hatte ich alle schon hier“ sagt Jürgen Arendt. Respekt sei wichtig, dann komme man mit allen klar, meint er, denn: „Am Ende kochen alle eh nur mit Wasser.“

Jürgen und Jürgen sind zu einem Treffpunkt geworden, und so gibt es inzwischen schon über 1.800 Unterzeichner einer Onlinepetition, mit der sie für den Erhalt ihrer Imbissbude und neuaufgebauten Existenz kämpfen. Auch auf der Liste im Imbiss haben mehrere hundert Leute unterschrieben, nach nicht einmal zwei Wochen.

Wenn die Petition Ende Januar ausläuft, will Arendt sie offiziell bei der Stadt einreichen. Das zuständige Amt hat mittlerweile zumindest durchblicken lassen, dass es Überlegungen gebe, wie man den Stand langfristig in die Gestaltung des Parks mit einbinden könne. Eins steht also fest: Die letzte Wurst ist in der Sache noch längst nicht gegessen. Tim Blumenstein

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen