orte des wissens: Die Aktualität der alten Gemäuer, Lieder und Noten
Die Forschungsstelle „Geschichte und kulturelles Erbe der Klöster und Stifte im Ostseeraum bis zur Reformation“ ist offen für alle
Was unterscheidet ein Kloster von einem Konvent? Was ein Konvent von einem Stift? Was ein Stift von einer Kommende, eine Kommende von einer Ballei, eine Ballei von einem Beginenhaus? Wer sich Fragen wie diese nicht selbst beantworten kann, könnte bei der Forschungsstelle „Geschichte und kulturelles Erbe der Klöster und Stifte im Ostseeraum bis zur Reformation“ der Christian-Albrechts-Universität zu Kiel (CAU) nachfragen, Historisches Seminar, Abteilung Regionalgeschichte.
Die Forschungsstelle, sechs Mitarbeiter groß, interdisziplinär besetzt von der Kunstgeschichte bis zur Archäologie, befasst sich mit architektonischen wie mit theologischen Fragen, mit sozialen, politischen, juristischen. Ihre Vernetzung mit anderen Forschungseinrichtungen reicht von Dänemark bis Polen.
Historiker Oliver Auge, Professor für Regionalgeschichte an der CAU mit dem Schwerpunkt Geschichte Schleswig-Holsteins in Mittelalter und Früher Neuzeit, leitet die Forschungsstelle. „Viele sind überrascht, was es da alles noch zu finden, zu erforschen und zu berichten gibt“, sagt er der taz. „Das ist ja ein eher verschüttetes Feld der Geschichte.“
Aber wer das „Klosterbuch Schleswig-Holstein und Hamburg“ der Forschungsstelle liest, 2019 erschienen, geschrieben von Dutzenden Autoren, mit 1.200 Abbildungen auf 1.600 Seiten, insgesamt sieben Kilo schwer, sieht schnell: Hier können Schätze gehoben werden. Zwölf Jahre Arbeit stecken in diesem Schwergewicht. Um es zu bewältigen, brauchte man „nicht nur geistige Kraft“, lacht Auge. „Man braucht auch Muskeln.“
Derzeit arbeitet Auges Team an einem Klosterregister/Klosterbuch für Pommern. Und dessen analoger Ausgabe soll eine Phase 2.0 folgen, als E-Book, und eine Phase 3.0., dynamisch, mit Karten und Links. „Aber das ist noch Zukunftsmusik“, sagt Auge.
Die Forschungsstelle diskutiert zentrale Elemente der Regional- und Landesgeschichte, denn die Entwicklung der Klöster gibt zugleich Auskunft über die Entwicklung der Staatlichkeit, der Verwaltung, der Wirtschaft. Auge versteht das auch als Instrument, den Rechten entgegenzutreten: „Die machen sich ja nicht zuletzt breit, indem sie versuchen, sich manipulativ des Themas Regionalität und Heimat zu bemächtigen. Wir zeigen, dass man sich mit diesen Begriffen auch anders befassen kann.“
Seine Zielgruppe sieht er nicht nur in der Wissenschaft: „Es geht uns immer auch um den Transfer in die Gesellschaft, und das so niedrigschwellig wie möglich“. Interaktive Stelen an den Klosterstandorten sollen Geschichte veranschaulichen, Luftaufnahmen inklusive, Augmented Reality.
Und dann erzählt er. Davon, wie spannend es ist, wiedergefundene, teils stark fragmentierte Kirchenmusik zu rekonstruieren, neu zu vertonen, einzuspielen, als Konzert erklingen zu lassen. Von der Hamburger Barbarei, Anfang des 19. Jahrhunderts den mittelalterlichen gotischen Marien-Dom abzureißen. Davon, dass die Geisteswissenschaften zwar „oft schneller der Gefahr eines Rotstifts unterliegen als vermeintlich lebensnähere Disziplinen“, aber dass „nichts lebensnäher ist als Geschichte“.
Sehr lebendig ist auch das Internet-Projekt „Klosterwelt Pommern“ der CAU, ein kulturtouristischer Appetizer für das neue Klosterregister/Klosterbuch. Wer lieber Papier in der Hand hat, kann zum Kulturführer „Vorpommern und seine Klöster“ greifen, Mitte 2023 erschienen. Mit rund 270 Seiten ist es vergleichsweise überschaubar.
Viel zu tun, von der Exkursion bis zur Tagungsplanung, zum Workshop. Auge hat dadurch zwar selten Freizeit, aber das nimmt er in Kauf: „Es ist sehr reizvoll, all das zu koordinieren.“ Harff-Peter Schönherr
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