neue grüne härte: Mehr Staat gegen rechts
Vor gut zwei Wochen schilderte Außenminister Joschka Fischer, wie sehr ihn die Meldungen bedrücken, die ihn aus der Wissenschaft und von den Hochschulen erreichen: dass ausländische Studierende und Professoren sich kaum nach Ostdeutschland wagten, weil sie dort um ihr Leben fürchteten. Gegen die von rechten Gruppen ausgerufenen „national befreiten Zonen“, so Fischer auf dem Kulturforum seines Amtes, müsse der Staat mit allen rechtsstaatlichen Mitteln vorgehen. Nun hat die neue Parteisprecherin Renate Künast den Gedankengang innenpolitisch heruntergebrochen: Wer Asylbewerberheime anzünde, wisse, was er tue; daher reiche Jugendarbeit nicht aus, auch die „Repression“ sei zu verstärken.
Kommentarvon SEVERIN WEILAND
Es ist, als hätten die Grünen über ihren Wandel den Titel eines berühmten Krimis von Raymond Chandler gestellt: The long goodbye. Man nimmt Abschied von einer Welt, in der die staatlichen Zwangsmittel und die dazugehörigen Stellen nur in den Kategorien von Unterdrückung und Ausbeutung gedacht wurden. Vor Jahren hätte man das Wort Repression nur in einem einzigen Zusammenhang benutzt: zur Denunziation eines angeblich allmächtigen Staates, der seine Bürger knebelt.
Es sind ja nicht allein die Begriffe, die von den Grünen neu definiert oder, um mit Heiner Geißler zu sprechen, neu besetzt werden. Einen anderen Geist soll die Partei verströmen seit der Verabschiedung des Atomkompromisses. Man will nicht mehr nur nörgeln, kritisieren, sich quer legen. Man will das Verhältnis zu den Dingen, die man früher verächtlich machte, neu ordnen. Im Kleinen wie im Großen. Zum Auto, das man nun selber gerne fährt, oder eben zum Staat, dessen Schutz man für sich und andere in Anspruch nimmt.
Im Falle der rechten Gewalt ist es richtig, dass die Grünen sich zur staatlichen Repression bekennen – als dem letzten Mittel. Es kann nicht sein, dass Obdachlose und Migranten in Deutschland nicht sicher sind. Das Problem ist allerdings, dass die Grünen auf halbem Wege stehen bleiben. Sie können sich Repression nur gegen rechts vorstellen – wie die Äußerungen von Künast beweisen. Dabei ist wahr, dass auch von Linken Gewalt ausgehen kann. Man will es sich eben mit Teilen der Partei nicht verscherzen. Dabei dürfte einer Juristin wie Künast klar sein: Repression ist nicht teilbar. Polizisten können eben nicht nur dann gut sein, solange sie gegen die anderen vorgehen, schlecht, wenn sie den Knüppel gegen die eigene Klientel schwenken.
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