piwik no script img

heute in hamburg„Die Schulden­bremse wäre entbehrlich“

Diskussion „Wer zahlt für die Krise? Europäischer New Deal statt Schuldenbremse“ mit Peter Bofinger und Franziska Hildebrandt: 19 Uhr (Einlass 18.30 Uhr), Zeise-Kino. Wer keinen der 70 Plätze bekommt, findet einen Zoom-Link unter https://schluss-mit-austeritaet.de

Interview Maike Krob

taz: Herr Bofinger, muss die Schuldenbremse spätestens nach Corona weg?

Peter Bofinger: Die Schuldenbremse wäre aus meiner Sicht völlig entbehrlich. Man könnte sie direkt abschaffen und durch eine Regel ersetzen, bei der alle staatlichen Zukunftsinvestitionen auch über Schulden finanziert werden dürfen. In diesem und im nächsten Jahr werden deutlich mehr Schulden aufgenommen, als es der Schuldenbremse entspräche. Das ist rechtlich möglich, weil die Schuldenbremse eine Ausnahmeregelung hat: In Jahren mit außergewöhnlichen Notsituationen kann man auch deutlich mehr Schulden machen.

Wo ist dann das Problem?

Diese Extra-Schulden müssen alle auch in den nächsten 20 Jahren wieder zurückgezahlt werden. Wenn Corona um ist, dürfen wir nicht nur keine Schulden machen, sondern müssen die Schulden der Jahre 20 und 21 zurückzahlen. Das heißt, man muss hohe Überschüsse machen und der Spielraum für Investitionen ist noch geringer, als er das ohnehin wäre.

Was kann man vom New Deal der 30er-Jahre lernen?

Der New Deal war die Entscheidung, eine Wirtschaft, die von einem enormen Schock getroffen war, wieder zu stabilisieren und gleichzeitig eine soziale Komponente einzubauen. Das war mit hoher Verschuldung verbunden, hat aber sehr gut funktioniert. Man kann also durchaus schuldenfinanzierte Konjunkturprogramme schnüren, die sehr, sehr erfolgreich sind. Im Unterschied zu heute hat es damals lange gedauert, bis man gemerkt hat, dass man gegen die Krise was tun kann. Heute hat man ja innerhalb von Wochen reagiert.

Werden in der Coronakrise Chancen verspielt?

Foto: Arne Denert/dpa

Peter Bofinger

65, ist Professor für Volkswirtschaftslehre an der Uni Würzburg. Bis 2019 war er einer der fünf „Wirtschaftsweisen“.

Eigentlich hat die Politik das alles sehr gut gemacht. Sie hat nicht nur schnell, sondern auch hoch dosiert reagiert. Wenn man etwas kritisch sehen will, dann hätte man im Konjunkturpaket der Bundesregierung die Investitionen noch stärker fördern und die Maßnahmen zur Konsumförderung etwas schwächer dosieren können. Bei der Mehrwertsteuersenkung und dem Kinderbonus ist völlig offen, ob das Geld da ankommt, wo es benötigt wird, also dem stationären Handel und der Gastronomie.

Eine Hamburger Volksinitiative will die Schuldenbremse streichen. Richtig?

Da die Schuldenbremse uns daran hindert, die notwendigen Zukunftsinvestitionen durchzuführen, finde ich es gut, dass man sich jetzt überlegt, wie man sich ihrer entledigen kann..

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen