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heute in bremen„Über 500 Jahre haben sie sich ihre Sprache bewahrt“

Mila Crespo Picó, 48, hat Germanistik in Valencia studiert, und wurde im Dezember 2020 als Direktorin des Instituto Cervantes in Bremen berufen, nachdem sie zuvor die Dependancen in München und Bukarest geleitet hat.

Interview Franziska Betz

taz: Frau Crespo Picó, wer sind die sephardischen Frauen?

Mila Crespo Picó: Das sind die jüdischen Frauen, die nach 1492 mit der gesamten jüdischen Gemeinschaft nach einem königlichen Erlass aus Spanien vertrieben wurden.

Und die sprechen Sephardisch?

Ja, oder auch Judenspanisch genannt. Die Sepharden haben sich diese Sprache bewahrt, als sie Spanien verlassen mussten. Sie sind nach Nordeuropa gegangen. In Hamburg gab es eine große sephardische Gemeinde, aber auch in Amsterdam. Auch nach Nordafrika und in die Türkei, was damals das Ottomanische Reich war, flohen Sepharden. Über 500 Jahre haben sie sich ihre Sprache bewahrt. Sie sprechen heutzutage noch ein Spanisch auf der Basis des Spanischen aus dem 15. Jahrhundert. Das ist das Besondere.

Wo leben Sephard*in­nen heute?

Die meisten sind in der Türkei und Israel ansässig. Auch hier haben sie ihre Gebräuche und Sitten bewahrt. Lieder, religiöse Gebräuche, zum Beispiel bei Heiratsfeierlichkeiten und Gebete sind besonderer Art.

Worum geht es in Ihrer Konferenz?

Meistens wird über die sephardische Kultur im Allgemeinen gesprochen. Bei uns liegt der Schwerpunkt auf der Rolle der sephardischen Frauen. Es gibt selten ein Programm, dass dieses Thema aus so vielen verschiedenen Blickwinkeln betrachtet.

Auch aus internationalen Blickwinkeln?

Die Pandemie hat uns da auch Gutes gebracht. So war es möglich, eine internationale Tagung digital zu veranstalten. Wir haben über 200 Anmeldungen aus aller Welt. Und das sind nicht nur Laien, sondern auch Professoren der jüdischen Studien aus verschiedenen Fakultäten. Sie interessieren sich dafür, weil das Thema so spezifisch ist.

Welche besondere Rolle spielten die sephardischen Frauen?

Da muss man in die Geschichte zurückgehen. Vor 1492 waren in Spanien viele Sepharden Ärzte und Mitarbeiter der Krone. Aber auch normale Bürger. Als sie dann aus Spanien fliehen mussten, haben sie literarische Texte mitgenommen. Aber parallel wurde die Sprache auch mündlich weitergegeben. Die Familien haben über Kommunikation die Sprache bewahrt. Es wurde viel gesungen und erzählt, viel über das Herkunftsland Spanien erzählt. Das ist vor allem in den Familien passiert und in diesen auch viel über die Frauen. Und das über 500 Jahre.

Und außerhalb der Familie?

Die Frauen waren auch über Literatur und Musik präsent. Es gab Schriftstellerinnen, die unter männlichem Pseudonym veröffentlicht haben. Dazu wird es auf der Konferenz auch einen Vortrag geben. Es wird auch die Musikerin Karen Gerson Şarhon anwesend sein, die auf Judenspanisch singt. Sie wird auf der Konferenz auch Judenspanisch sprechen.

Die Tagung wird auf Spanisch und Judenspanisch abgehalten?

Ja. Personen, die nur Spanisch können, werden das Judenspanisch vielleicht zu 15 Prozent nicht verstehen. Aber im Großen und Ganzen kann man es verstehen, auch wenn man nur Spanisch spricht.

„Voces de mujer en sefarad/Stimmen der Frau im Sefarad“: Online-Konferenz, ab heute 15:00, Anmeldung nötig, die beiden Filme können ohne Anmeldung angeschaut werden, mehr Informationen: www.bremen.cervantes.es

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