heute in bremen: „Das BfS lügt“
Interview Benno Schirrmeister
taz: Herr Gutbier, Bruxelles und Genf haben die 5-G Mobilfunk-Technologie gestoppt – sollte Bremen dem Beispiel folgen?
Jörn Gutbier: Ja, auf jeden Fall: Nur Moratorien können noch ermöglichen, dass es eine vernünftige Folgenabschätzung gibt, bevor man diese neue Technologie auf den Markt bringt.
Das Bundesamt für Strahlenschutz (BfS) geht nicht von gesundheitlichen Risiken aus.
Das BfS lügt. Das muss man wirklich so hart sagen. Es belügt in dieser Frage die Öffentlichkeit: Es gibt seit Jahrzehnten ernste Hinweise auf gravierende gesundheitliche Folgen durch Mobilfunktechnologie. Im Verein diagnose:funk werten wir die verfügbaren Studien zu dem Thema die ein Resultat erbracht haben, mit der Hilfe von Fachwissenschaftlern aus. Die Untersuchungen, die physiologische Effekte nachweisen, sind deutlich in der Überzahl. Noch dramatischer wird das Ungleichgewicht, wenn man sich nur die unabhängig von Industrie und Militär erstellten Studien anschaut. Dass deren Erkenntnis so aus der Diskussion herausgehalten wird, deutet auf einen organisierten Wissenschaftsbetrug hin, an dem sich das BfS beteiligt.
Das meiste Gewicht hat dabei wohl die Langzeituntersuchung des US-National Toxicology Program (NTP) …
Das war eine staatliche Studie über zehn Jahre, und die beteiligten Forscher waren selbst überrascht: Sie hatten gegen ihre Erwartung clear evidence, also Beweise für die krebserregende Wirkung von Mobilfunkstrahlen gefunden. Umgehend hat die Mobilfunkindustrie versucht diese Ergebnisse wieder einzufangen. Die Studie ist dann von einem 14-köpfigen Experten-Panel überprüft und als den wissenschaftlichen Standards entsprechend bestätigt worden. Jetzt wird weiterhin die Aussagekraft bestritten, weil die benutzten Leistungen zu hoch gewesen wären. Bloß hatte gleichzeitig eine italienische Studie des Istituto Ramazzini mit sehr niedrigen Frequenzen gearbeitet, und die gleichen Ergebnisse geliefert: Mobilfunkstrahlung ist in der Lage Krebs auszulösen.
… Fiora Belpoggio hat allerdings nur mit Ratten geforscht?
Ja, mit 2.000 Ratten. Wir können ja schlecht Menschen bestrahlen.
Vortrag: 5G Mobilfunk: Auswirkungen auf Mensch und Umwelt, Haus der Wissenschaft, 20 Uhr
Aber das tun wir doch: Seit zehn Jahren gibt‘s Smartphones. Müssten die Auswirkungen nicht erkennbar sein?
Krebs hat lange Latenzzeiten. In der schwedischen Gesundheitsstatistik gibt es eine Verdoppelung von Lymphdrüsenkrebs bei jungen Frauen in weniger als zehn Jahren und steigende Fälle von Zunge- und Hals- und Mundtumoren. Altersstandardisierte Studien aus den USA zeigen Ähnliches bei Heranwachsenden und auch die Zunahme von Hirntumoren bei Kindern ist signifikant. Das ist zwar kein kausaler Beweis. Aber ein Hinweis, dem nachzugehen wäre.
Zumal 5G mit deutlich mehr Funkzellen arbeiten müsste?
5G soll insbesondere in den Städten als weitere Infrastrukturebene auf Straßenniveau den Menschen direkt vor ihre Wohnungen gebaut werden. Die Grundlast wird steigen, obwohl wir alles dafür tun müssten, die Dauerbelastungspegel zu senken.
40.000 mal Danke!
40.000 Menschen beteiligen sich bei taz zahl ich – weil unabhängiger, kritischer Journalismus in diesen Zeiten gebraucht wird. Weil es die taz braucht. Dafür möchten wir uns herzlich bedanken! Ihre Solidarität sorgt dafür, dass taz.de für alle frei zugänglich bleibt. Denn wir verstehen Journalismus nicht nur als Ware, sondern als öffentliches Gut. Was uns besonders macht? Sie, unsere Leser*innen. Sie wissen: Zahlen muss niemand, aber guter Journalismus hat seinen Preis. Und immer mehr machen mit und entscheiden sich für eine freiwillige Unterstützung der taz! Dieser Schub trägt uns gemeinsam in die Zukunft. Wir suchen auch weiterhin Unterstützung: suchen wir auch weiterhin Ihre Unterstützung. Setzen auch Sie jetzt ein Zeichen für kritischen Journalismus – schon mit 5 Euro im Monat! Jetzt unterstützen