eu-gerichtshof urteilt: GLEICHSTELLUNG AUCH OHNE CDU
Kein Grund zur konservativen Panik: Die Männerbastionen im öffentlichen Dienst werden männlich bleiben. Der Triumph der Frauen ist nur scheinbar. Obwohl der Europäische Gerichtshof gestern eine Klage von 46 hessischen CDU-Abgeordneten verworfen hat. Obwohl festgestellt wurde, dass das hessische Gleichstellungsgesetz mit den europäischen Normen vereinbar ist. Obwohl in Hessen also weiterhin Frauen bei gleicher Qualifikation bevorzugt eingestellt werden dürfen.
Denn jenseits aller juristischen Finessen: In der Realität findet Frauenförderung im öffentlichen Dienst nicht statt – in Hessen so wenig wie sonstwo in Deutschland. Seit es die Gleichstellungsgesetze in den einzelnen Bundesländern gibt, werden regelmäßig Ergebnisberichte veröffentlicht. Und überall dokumentieren sie den Misserfolg und das Klischee: Unverändert schuften vor allem Frauen in den unteren Lohn- und Besoldungsgruppen; dafür sind die hoch dotierten Führungskräfte fast immer männlich. Karriere ist leider nur grammatikalisch weiblich.
Wie es auch anders geht, machen die Parteien vor. Ausgerechnet diese kungelnden Seilschaften sind innovativ – eine Eigenschaft, die man eigentlich beim modernen Management vermuten sollte. Jedenfalls: Frauenförderung gelingt in Deutschland nur mit der gnadenlosen, mechanischen Quote.
Wie effizient die Quote sein kann, das zeigt nichts besser als die deutsche Parlamentsgeschichte. 1919 durften die deutschen Frauen erstmals kandidieren; mit knapp 10 Prozent waren sie dann im Reichstag vertreten. Und ob Inflation, Nachkriegszeit, Wirtschaftswunder oder Studentenrevolte: An diesem Mauerblümchen-Dasein der Frauen änderte sich nichts. Noch 1983 lag der Anteil der weiblichen Abgeordneten bei lächerlichen 9,8 Prozent. Dann plötzlich die Wende: Inzwischen ist der Frauenanteil im Bundestag auf über 30 Prozent gesprungen – dank der Quote in fast allen Parteien. Und noch nicht einmal die CDU-Patriarchen behaupten, dass die deutsche Politik dadurch gelitten hätte. Stattdessen entdecken sie die Fähigkeiten des „Mädchens“.
Dieser Erkenntnisgewinn der deutschen Politik war nur möglich, weil die Parteien nicht den Gleichstellungsgesetzen für den öffentlichen Dienst unterliegen. Sonst hätten auch sie Abteilungen zur Frauenförderung und fast nur männliche Kandidaten.
ULRIKE HERRMANN
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