erinnerungskultur: Eine deutsche Geschichte
Der ganze Vorfall hat etwas durch und durch Verdruckstes, manchmal Verlogenes und alles in allem etwas sehr Deutsches: Die Gedenktafel für den von rechtsradikalen Jugendlichen im U-Bahnhof Samariterstraße erstochen Silvio Meier darf an der Stelle bleiben, wo sie Freunde des Ermordeten nach seinem Tod 1992 angebracht haben. Etwas Deutsches – warum?
Kommentarvon PHILIPP GESSLER
Da ist zunächst die Tat, die zu diesem Land passt, in der das braune Übel auch 60 Jahre nach dem Tausendjährigen Reich immer noch durch die Köpfe spukt und Tote fordert. Dazu passt, dass Silvio Meier das tat, was in den letzten Monaten immer eingefordert wurde: Er zeigte Gesicht gegen rechts – und musste prompt dafür mit dem Leben zahlen. Sehr deutsch ist auch, dass sich an der Gedenktafel sogleich wieder die Bedenkenträger, die Sicherheits- und Ordnungsfanatiker stießen: Ordnung muss sein, also keine Versammlung. Sicherheit über alles, also keine Gedenkkerzen. Die Sekundärtugenden triumphieren.
Die Heimlichkeit, mit der die Tafel dann doch mehrere Male weggeschafft werden sollte, hat ebenfalls etwas Teutonisches: So etwas macht man nur heimlich, zu offenem Vorgehen fehlt der Mut. Und typisch für dies Land ist am Ende auch, dass die BVG sich erst nach dem öffentlichen Protest und dem Druck von oben, von Senator Strieder, besinnt und die Tafel dort lässt, wo sie Meiers Freunde angebracht hatten und wo sie hingehört: am Tatort.
Heute beteiligt sich die BVG an der Aktion „Noteingang“. Schon vor Jahren hätte sie sich für die Silvio-Meier-Gedenktafel entscheiden müssen. Sie tut es erst nach offiziellem Druck. Schade.
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