die wahrheit: Bataillone der Liebe
Das geheime Tagebuch der Carla Bruni. Heute: Auf dem Schoß des Pygmäen.
Mon cher journal intime …
Liebes Tagebuch, ich glaube, es ist meine Schuld, dass es Eric (Clapton, Anm. der Red.) so schlecht geht. Wäre ich nicht so ein egoistischer, überheblicher und kaltschnäuziger Mensch, säße er nicht in der Klapse. Ich bin so froh, Aurélien in einem guten Internat untergebracht zu haben. Ich tue ihm nicht gut. Er soll fröhliche Menschen um sich haben, nicht eine so zerstörerische Mutter, die Verderben über die bringt, die sie lieben.
Habe heute in der Klinik angerufen. Eric geht es schon besser. Sie haben die richtige Medikamenteneinstellung für ihn gefunden. Der Professor meint, wenn es keinen Rückfall gibt, ihn schon in zwei, drei Wochen entlassen zu können. Wenigstens das.
Das Grau lastet immer schwerer auf mir. Meine Tage hier im Palast sind wie fahle, hohle Hüllen. Eine dumpfe Schale, die mich umgibt, mich abschirmt von den anderen. Mein Kern, mein Wesen, mein Ich - immer seltener kommt es mit den anderen in Berührung, immer seltener bin ich wirklich berührt. Ich bin erschrocken, wie schnell es dieses Mal geht. Es ist, als rase die bleierne Schwere in Sieben-Meilen-Stiefeln auf mich zu. Ihre Vorhut ist schon seit Tagen da, nun kommen die restlichen Bataillone, um meine Seele wie zu besetzen. Sich auszubreiten und ihre mit lähmendem Gift getränkten Widerhaken in mein Fleisch zu bohren. Ich will das alles nicht. Will so eine Zeit nicht noch mal erleben. Maman kommt morgen. Sie bringt mir ein wenig Prozac mit.
Maman ist wieder abgereist. Sie hat einen Termin mit Chou-Chou, die Nase richten zu lassen. Anfang Juli ist eine große Pudelschau in Monte Carlo, und dann soll ihr kleiner Liebling nicht wieder nur Platz vier belegen. Ich fühle mich schon besser. Ehrlich gesagt, es kommt mir heute total albern vor, dass ich so einen Aufstand gemacht habe wegen so einem bisschen Trübsinn. Ich muss endlich lernen, mich nicht immer so ernst zu nehmen.
Paris Match hat Fotos von unserer Hochzeit veröffentlicht. Ich habe keine Ahnung, wie die dort hineingekommen sind. Und ich weiß auch nicht, warum ausgerechnet diese Bilder ausgesucht wurden! Ich sehe aus wie ein Waldschrat - das weiße Kleid hängt an mir, als wäre ich darin tagelang durchs Gestrüpp gestolpert, und meine Haare wirken, als hätte sich dabei das Geäst unablässig hineingebohrt, sich verfranst und verhakt, als sei es wie Kletten haften geblieben, als führe das Grün ein Eigenleben und hätte sich hineinfräsen wollen, verwurzeln gar, bevor es mir gelang, mich zu befreien vom Zugriff der Natur. So sehe ich aus. Beschissen.
Apropos Garten - habe wieder den jungen Gärtner gesehen. Joseph. Er ist wirklich hübsch. Rank, schlank, halblanges, braunes Haar. Mit einem immer noch jungenhaften Gesicht, in das allenfalls die viele Sonne ihre Spuren gebrannt hat. Er hat mir aus der Ferne zugewunken, später lag eine Rose auf meinem Stuhl. Es macht mich froh, ihn zu treffen. Es bringt ein wenig Freude in meinen Alltag.
Noch mal zu den Fotos: Außer den Hochzeitsbildern wurden weitere aus der Serie dunkelblaue Hose, hellblaue Bluse veröffentlicht. Dieses Mal welche, auf denen auch mein kleiner Pygmée zu sehen ist. Er sitzt an seinem Palastschreibtisch, ich auf seinem Schoß. Ich habe keine Ahnung, warum mich die Fotografen immer älteren Männern auf den Schoß setzen. Immerhin aber musste ich nicht so ein Hängerchen tragen wie bei dem Foto von Helmut Newton mit meinem Vater. Einer dieser französischen Knödelpups-Berater hatte wieder Einwände, dass wir als Präsidentenpaar vielleicht zu salopp daherkommen. Ich finde, es zeigt, wie modern die Monarchie heutzutage ist. Außerdem kann das Bild mir nur nützen, weil es doch zeigt, dass ich auch als 40-Jährige noch Toy-Qualitäten habe, immer noch jung genug bin, um Altherren-Fummelfantasien zu bedienen. Ich muss auch an morgen denken.
Ich war vorhin in meinem Studio. Überall dicker Staub auf den Instrumenten! Wenn die Platte tatsächlich im Juli kommt, müssen wir uns jetzt ranhalten. Ich habe sofort Anweisung zur Reinigung gegeben. Ich bin noch sehr unsicher, ob ich die Platte wirklich "Le Refuge" (Die Zuflucht) nennen soll. Zumal sie ja hier im Palast entsteht. Das klingt doch wirklich sehr danach, als wäre ich eine entflohene Königstochter, die hier zwar Obdach gefunden hat, deren Status aber doch kaum über den einer Duldung hinausgeht. Kärcheralarm!
Montag, 12. 5. 2008
Endlich, endlich wieder ein Termin nach meinem Geschmack: Nächste Woche verabschieden wir die französische Nationalmannschaft ins Gefecht. Zum Fußballspielen in die Alpen. Lauter Jungs im besten Alter! Ich übe schon: "Allez les Bleus!" Und ich war bei Jean-Paul (Gaultier, Anm. d. Red.) und habe mir ein ziemlich heißes und verrücktes Ensemble in Rot-Weiß-Blau machen lassen. Dazu werde ich eine näckische goldene Kappe trage. Ich gehe als "Golden Goal" sozusagen.
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