die wahrheit: Die sechs Gehirne der Liebe
Das geheime Tagebuch der Carla Bruni. Heute: Ein wildes Tier im Dämmerzustand.
M on cher journal intime …
Ich mag Sex am Morgen. Wenn einen schlaftrunken die wohligweiche Bettwärme umhüllt und die Unschuldigkeit des Daseins von Berührung zu Berührung in die Triebhaftigkeit überführt wird. Wenn sich aus dem Dämmerzustand das wilde Tier herausschält … Leider ist das mit Nici nicht zu machen. Mein Mann hat - das habe ich auch der Presse gesagt, nur hat die es natürlich wieder falsch verstanden - fünf Gehirne und von denen sind mindestens drei immer schon wach, wenn ich nur die Augen aufschlage. Eins will Tennisspielen, eins Telefonieren, eins hat Hunger. Nimmt man die zwei verbleibenden zu meinem dazu, stünde es eigentlich drei zu drei und ich hätte mit meinem Bedürfnis eine reelle Chance. Aber wenn dann auch noch sein viertes angeht, ist es garantiert von "Ich muss mir dringend einen neuen Anzug bestellen"-Gedanken besetzt.
Ich glaube, ehrlich gesagt, Nici hat ADHS. Nie kann er still sitzen, innehalten. Immer rattert alles gleichzeitig in ihm. Deshalb ist er auch so ungemein produktiv und hat so ein enormes Tagespensum. Man sagt ja vielen Politikern nach, dass sie faul seien. Vor allem Bürgermeister müssen ein recht schlaffes Pack sein. Nici, glaube ich, ist Politiker geworden, um für seine Fehlfunktion einen Umgang zu finden. Das liebe ich so an ihm. Diese Selbstlosigkeit, die aus der ganz persönlichen Situation entsteht: die Belange einer Nation zu regeln, als Versuch, das eigene Dilemma in den Griff zu kriegen.
Joseph. Diese Lippen, diese Haare, dieser Blick … wenn er mit seinem braungebrannten, sehnigen Körper in der Mittagssonne die alten Beete umhebt … wenn er in der Orangerie die Kübelpflanzen wässert und jedes Mal, wenn er die Kanne hebt, die Schultermuskulatur hervortritt … Ach!
Ich weiß wirklich nicht, wer diese dämliche Monogamie erfunden hat. Doch, ich weiß es natürlich. Die Christen waren es. Die haben sich das ausgedacht, als man mit 14 geheiratet hat und mit 34 tot war. Und ich?!? Ich bin alles andere als tot! Und trotzdem muss ich ein mumifiziertes Leben leben. Es ist, als liege man lebendig im Sarg. Man ist zum Totsein bestimmt, während draußen das Leben tobt. Vielleicht sollte ich demnächst ein Buch darüber schreiben.
Um Nici eine Freude zu machen (und in der Hoffnung, dass er dann wieder Lust hat), wollte ich heute das lustige Kleid anziehen, dass er mir von seiner Bayernreise mitgebracht hat. Ein Drindl. Die Merkel hat es mit ihm ausgesucht. Ich kann die Boshaftigkeit dieser Kuh förmlich spüren. Das Kleid hat eine Oberweite wie für eine trächtige Sau. Ich habe drei paar Socken auf jeder Seite reinstopfen müssen, um den Platz auch nur annähernd zu füllen.
Treffer! Ich bin so froh, auf Jean-Philippe (Freund und Berater, Anm. der Red.) gehört zu haben, so dass wir den Text von "Tu es ma came" an die Presse herausgegeben haben und nicht das Lied vom kleinen grünen Grashüpfer, das ich so mag. Die Reaktion ist super. Alle regen sich mächtig auf, vor allem die Kolumbianer sind aus dem Häuschen. Sie tun so, als ginge es darum, dass ich kolumbianisches Kokain besinge und die Droge verherrliche. Dahinter steckt aber wohl doch eher ihr Machismo. Schließlich singe ich "Du bist mein Stoff … gefährlicher als kolumbianischer Schnee." Das können die nicht ab: dass was anderes toller ist als ihr Exportschlager. Der Außenminister hat tatsächlich festgestellt, seit der Heirat würden in Frankreich Politik und Showbusiness vermischt. Na so was aber auch!
Viel mehr hat mich berührt, dass Maman sich gleich gemeldet hat, als die Schlafmützenträger von der Presse wegen der 30 Liebhaber über mich hergefallen sind ("Ich bin ein Kind / trotz meiner 40 Jahre / trotz meiner 30 Liebhaber", heißt es in "Une enfant", Anm. der Red.) "Kind, 30 - bist du dir sicher?!?" Als ich ihr dann sagte, das seien die, an die ich mich erinnere, war sie beruhigt. "Eine Frau von Klasse kann nicht genug Erfahrung haben! Aber die Schlechten kann man ruhig aus dem Gedächtnis streichen. Sieh mich an! Da gibt es welche, die würde ich gar nicht mehr erkennen, wenn ich sie an der Bushaltestelle träfe."
Abgesehen davon, dass ich es äußerlich erstaunlich fand, dass Maman überhaupt den Gedanken im Kopfe führt, jemals einen Bus zu benutzen, konnte ich sie aber umgehend beruhigen, indem ich ihr sagte, dass bei mir nur eine Großbushaltestelle in Frage käme. Da haben wir herzlich gelacht, und ich habe wieder einmal gemerkt, wie froh ich bin, dass ich sie habe. Auch wenn sie häufig eine Schreckschraube ist und sich so wenig für meinen Ehemann interessiert. Hoffentlich bleibt sie mir noch lang erhalten. SILKE BURMESTER
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