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Essbesteck des Künstlers Wenzel HablikDer Löffel isst mit

An Ostern wird das edle Besteck herausgeholt. Manchmal hat es ungeahnt viel Geschichte. Zum Beispiel das von Wenzel Hablik im Landesmuseum Oldenburg.

Ursprünglich hatte Wenzel Habliks Bestecksatz 36 Teile. Aber die Formen sind auch bei den verbliebenen elf Stück eigenartig genug Foto: LMOL

Mit Messer und Gabel zu essen ist das eine. Aber ein komplettes Besteck, zu dem für jeden Gang ein passend aus Silber getriebenes Werkzeug gehört, das erhöht noch einmal die Tafelfreuden. Noch ein ganzes Stück darüber hinaus gehen die elf Stücke eines 36-teiligen Sets, die das Oldenburgische Landesmuseum für Kunst und Kultur vor zwei Jahren erworben hat.

Gegenwärtig firmiert es dort als „Objekt des Monats“. Das passt, weil ja Ostern ein prima Anlass ist, mehrere Tage hintereinander gut zu kochen und zu essen. Es ist aber auch jenseits davon ein würdiges Objekt, in dem sich in einer atemberaubenden Weise Geschichten und Lebenswege kreuzen.

Geschaffen hat es, was den rein handwerklichen Teil angeht, der Goldschmied Hermann Spliedt um 1924. Das Familienunternehmen besteht immer noch, in fünfter Generation, wenn auch seit fünf Jahren auf Sylt.

Gegründet worden war es aber 1857 in Itzehoe. Und dort hatte sich halt Wenzel Hablik, lustigerweise von einem Muschelsammelaufenthalt auf Sylt kommend, schon 1908 niedergelassen. Von ihm stammen die Entwürfe.

Eine Villa für den Muschelsammler

Auffällig ist die eigenartige, aber für jeden, der schon einmal Suppe gegessen hat, schlüssige Löffelform, klug wirkt auch das Fischmesserdesign, denn die gegabelte Spitze erlaubt, das händische Grätengeprokel zu minimieren. In Itzehoe hielt den Böhmen Hablik so einiges: die Liebe, die Meldorfer Museumsweberei und das Geld in Gestalt eines mäzenatischen Holzhändlers.

Jedenfalls heiratete der expressionistischen Allround-Utopist dort 1917 die Leiterin der Weberei, Elisabeth Lindemann, ließ sich eine Villa mit Atelier und Platz für seine Muschelsammlung stiften und arbeitete immer kunsthandwerklicher, gebrauchs- und alltagsorientierter, bis er 1934 starb. tzehoe hat ihm ein eigenes Museum gewidmet. Es wird momentan saniert.

Noch interessanter ist die Geschichte des Sammlers, aus dessen Nachlass die Garnitur stammt: Georg, genannt Giorgio, Silzer war Konzertmeister der Deutschen Oper Berlin und Primarius des Silzer-Quartetts. Aber 1980 „hatte ich mit einem Lustschrei mein Quartett und das Orchester zum Teufel gejagt“, hat er dem WDR mal erzählt. Dadurch sei er „ein glücklicher Mensch“ geworden.

Damals war er gerade 60 Jahre alt, zog nach Aurich, und Glück, das hieß für ihn eben auch, seiner schon während der Konzerttätigkeit gefrönten Leidenschaft, Kunst, aber mehr noch erlesene Kunsthandwerk- und Design-Stücke zu sammeln, so richtig die Zügel schießen lassen.

Freudvolle Überlassungen

Sein Hauptinteresse galt dabei der damals noch verachteten Epoche von Art Déco und Jugendstil, also jener Zeit, in der industrielle Gestaltung als Disziplin überhaupt erst aufkam. Und seine größte Freude scheint es gewesen zu sein, diese zusammengetragenen Schätze dann Museen zu überlassen, teils käuflich, teils geschenkt. Man kann sich fragen, wie eine solche Passion entsteht.

Geboren wurde Georg Silzer 1920 in Schlesien, in Skoczów, das in Polen liegt. Doch eigentlich gehörte die Familie eher zum jüdischen Wiener Großbürgertum: Mutter Irma, geborene Holz, war zu ihrer Zeit eine der wichtigsten Übersetzerinnen niederländischer Literatur, nebenbei hat sie aber auch Mark Twain eingedeutscht und Anatole France.

Vater Hermann (oder Ermanno), Enkel des 1897 geadelten Malers Rudolf von Alt, war ein gefeierter Geiger gewesen, und dann … Naja, immerhin war es der Familie noch rechtzeitig gelungen, Wien zu verlassen. Sie hat im Tessin eine neue Heimat gefunden. Daher stammen die italianisierten Vornamen und die rettende Schweizer Staatsbürgerschaft. Silzer ist 2014 in Aurich gestorben

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