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Lateinamerikas Beziehung zu TrumpSie wehren sich, so gut sie können

Kommentar von Gerhard Dilger

Eigentlich will der US-Präsident den Subkontinent unterwerfen – wie vor 100 Jahren. Doch heute geht das nicht mehr. Die Staaten leisten Widerstand.

In Mexiko City protestieren Demonstranten gegen die Zollpolitik von US-Präsident Trump, 9. 3. 2025 Foto: Quetzalli Nicte-Ha/reuters

C laudia Sheinbaum war zufrieden. „Es hat mit der Stärke unserer Regierung zu tun, dass Mexiko keine zusätzlichen Zölle auferlegt wurden“, sagte die linke Staatschefin vergangene Woche. Als einziges lateinamerikanisches Land blieb Mexiko an Donald Trumps „Liberation Day“ unversehrt – die anderen bekamen 10-Prozent-Zölle verpasst. Allerdings hatte der US-Präsident bereits zuvor 25 Prozent Zoll auf mexikanische Autos, Stahl und Aluminium verhängt – mit gravierenden Folgen: Die Autoindustrie macht 3,6 Prozent des mexikanischen Bruttoinlandsprodukts aus. Die Abhängigkeit des Landes vom „Koloss des Nordens“ ist viel größer als jene Brasiliens oder Argentiniens.

Lateinamerika und die Karibik wehren sich gegen Trumps Aggressionen, so gut sie können. Allerdings ist die krisengeschüttelte Region fragil: Corona und das Klimadesaster, eine ungebremste extraktivistische Ausplünderung bei gleichzeitiger Zunahme von sozialer Ungleichheit und die grassierende Narco-Kriminalität haben Spuren hinterlassen.

Bei aller Abschottung behandelt Trump sie als Hinterhof der USA – ähnlich wie seine Vorgänger zur Blütezeit des US-Imperialismus vor hundert Jahren. Er knüpft sogar an die Monroe-Doktrin aus dem Jahr 1823 an. „Amerika den Amerikanern“ – so formulierte der damalige Präsident James Monroe den Anspruch der USA. Damals richtete sich das Motto noch gegen die Rivalen aus Europa, vor allem gegen Großbritannien, das auf dem Subkontinent ökonomisch den Ton angab.

Wo früher Europa im Fokus stand, ist es heute China, das zunehmend Einfluss in der Region gewinnt. Den Panamakanal will Trump „zurückholen“ – Panamas Regierung habe die Verwaltung des Kanals China überlassen, behauptete er schon vor Wochen. Ihm schwebt eine neue geopolitische Aufteilung der Welt vor, bei der Lateinamerika wieder eindeutig unter der Vorherrschaft der USA stehen soll.

„Der Imperialismus hat sich ins Knie geschossen.“

Doch so einfach lässt sich die Uhr nicht zurückdrehen: Im 21. Jahrhundert hat China seine Position beträchtlich gestärkt. Das Land wurde zu einem wichtigen Abnehmer von Soja, Erdöl oder Eisenerz und integrierte mehrere Länder in sein globales Infrastrukturprojekt „Neue Seidenstraße“. Vor allem Brasilien – zusammen mit Russland, Indien und China – macht konkrete Schritte in Richtung multilateraler Weltordnung.

Die Lateinamerikapolitik Joe Bidens war durchaus auch von imperialen Ansprüchen geprägt. So warnte die frühere Chefin des US Southern Command, Generalin Laura Richardson, regelmäßig vor der Einflussnahme Chinas in Lateinamerika. Zusammen mit Milei kündigte sie vergangenes Jahr den Bau einer gemeinsamen Militärbasis in Feuerland an. Biden kann man vor allem seine uneingeschränkte Solidarität mit Lula beim Putschversuch von Jair Bolsonaro in Brasilien zugutehalten. Mit Trump im Weißen Haus wäre der Umsturz Anfang 2023 womöglich gelungen.

Gegenüber Kuba, Venezuela und Nicaragua, die unter Biden Boykottmaßnahmen ausgesetzt waren, hat Trumps Außenminister Marco Rubio einen noch härteren Kurs angekündigt. Im Fall Venezuelas lässt dieser sogar kurzfristige wirtschaftliche Interessen hinter geopolitische Überlegungen zurücktreten. Trump untersagte dem US-Ölkonzern Chevron, seine Aktivitäten in Venezuela fortzusetzen. Der autokratische Staatschef Nicolás Maduro befand daraufhin: „Der Imperialismus hat sich ins Knie geschossen.“

Javier Milei und Nayib Bukele wollen sich dem US-Präsidenten als willige Helfershelfer andienen: Der ultrarechte Argentinier, der gerade mit voller Kraft eine „Anti-Woke“-Agenda à la Trump vorantreibt, spielte jüngst sogar mit dem Gedanken, für einen Freihandelsvertrag mit den USA die Zollunion Mercosur zu sprengen.

Neoimperiale Offensive aus Washington eine enorme Gefahr

In der UNO weigerte sich Bukele ebenso wie die USA, die russische Aggression gegen die Ukraine in einer Resolution zu verurteilen. Den Wahlsieger Trump durfte er als erster Staatschef noch im November besuchen. Der „coolste Diktator der Welt“ – so die Eigenbeschreibung des Salvadorianers Bukele – wird demnächst im Weißen Haus erwartet.

Vergangene Woche postete Bukele ein Video auf X, das in kürzester Zeit ein Millionenpublikum erreichte. Darauf zu sehen: junge Latinos, angeblich „extrem gefährliche Kriminelle“, die nachts von schwer bewaffneten Militärs auf einem Flughafen empfangen, unsanft geduckt herausgeführt, geschoren und weggesperrt werden. Die zynische Antwort Trumps folgte in einem Repost: „Thank you, President Bukele, for giving them such a wonderful place to live!“

Um Millionen Flüchtlinge in den USA zu terrorisieren, hatte Trump bereits vierzehn Tage zuvor 238 angebliche Mitglieder der Drogenbande Tren de Aragua rechtswidrig nach El Salvador ausweisen lassen, wo sie jetzt in Bukeles für 40.000 Insassen angelegtem Hochsicherheitsknast schmoren. Zwar musste die US-Regierung bald einräumen, dass über hundert der Deportierten gar keine Straftaten begangen hatten – egal: Für Gewaltenteilung interessiert sich Trump ebenso wenig wie Bukele.

Für Lateinamerika und die Karibik stellt die neoimperiale Offensive aus Washington eine enorme Gefahr mit offenem Ausgang dar. Die Kleinstaaten Zentralamerikas und der Karibik vermögen den USA allerdings wenig entgegenzusetzen. In Brasilien, Chile und Kolumbien droht bei den kommenden Wahlen ein Schwenk hin zur Ultrarechten. Die progressiven Kräfte, die vor zwanzig Jahren den Linksruck in Südamerika anführten, befinden sich in einer tiefen Krise.

Ob Trumps Lateinamerikapolitik für die USA selbst wirklich das Beste ist, bleibt allerdings unklar. Kolumbiens progressiver Präsident Gustavo Petro hat da so seine Zweifel: Trumps Diktum, dass diese den Subkontinent nicht bräuchten, warnte er, „ist gefährlich – nicht nur für die Welt, sondern auch für die nordamerikanische Gesellschaft selbst“.

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Gerhard Dilger ist über 60 und immer noch links. Er lebt und arbeitet seit 1992 in Südamerika, derzeit in Buenos Aires. Seit 2008 Mitglied des latin@rama-Kollektivs, bis 2012 Südamerikakorrespondent der taz in Porto Alegre. Von 2013 bis 2021 Büroleiter der Rosa-Luxemburg-Stiftung in São Paulo und Buenos Aires. Berichtet auch aus Paris.
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