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Projektleiterin über Wandergärten„Für jede Leidenschaft ist etwas dabei“

Im Hamburger Wandergarten gärtnern alle mit. Ein Gespräch mit der Projektleiterin über die Vielfalt der Gärt­ne­r:in­nen und die Liebe zum Hochbeet.

Wo es grünt, da lass dich nieder: die Sitzbeete des Hamburger Wandergartens Foto: Privat
Friederike Gräff

Interview von

Friederike Gräff

taz: Was sind Wandergärten, Frau Wilhelm?

Emilia Wilhelm: Es sind Hochbeete, die durch die Stadt wandern. Die Idee ist inspiriert von den Wanderbaumalleen aus Süddeutschland. Da gibt es Bäume in Hochbeeten, die verschiebbar sind und so durch die Stadt wandern und sie grüner machen können.

taz: Warum ist es wichtig, dass der Garten wandert?

Wilhelm: Er soll Grün in die Stadtteile bringen, wo es an Natur mangelt. Deswegen stehen die Hochbeete auf Rädern. Sie sollen an so viele Standorte wie möglich wandern, aber auch den Bezirken und der Politik ein Zeichen setzen: hier freut sich die Nachbarschaft über mehr Natur. Wir wollen ein kleiner Anstupser für weitere Nachhaltigkeits- und Naturprojekte sein – deswegen unterstützen wir die Nachbarschaft und die Bezirke auch, nachdem der Garten gegangen ist.

taz: Grün scheint vor allem in den ärmeren Stadtteilen zu fehlen.

Wilhelm: Ich tue mich schwer damit, den Stadtteilen von vornherein so einen Stempel aufzudrücken. Aber wir suchen gezielt Stadtteile aus, die eher wenig Naturnähe bieten und in denen es Bedarf nach niedrigschwelligen Umweltbildungsangeboten gibt. Und hier möchten wir Brü­cken­baue­r:in­nen sein. Wir sind auf der Veddel gestartet und stehen jetzt in Wilhelmsburg. Da gibt es den Inselpark, aber der liegt weiter im Süden und ist von hier aus nicht so leicht erreichbar. In anderen Stadtteilen bekommen Kinder automatisch viel mehr Natur mit.

Bild: Privat
Im Interview: Emilia Wilhelm

29, ist Projektleiterin des Hamburger Wandergarten“, einem Gemeinschaftsprojekt der Stiftung WAS TUN! und der Loki Schmidt Stiftung.

taz: Wie funktioniert das offene Gärtnern?

Wilhelm: Auf der Veddel gab es ein großes Bedürfnis nach Gärtnern und nach einem Gemeinschaftsprojekt. Da hatten wir innerhalb kürzester Zeit eine Gruppe, die zu einem festen Termin kam, Blumen gepflanzt, gewässert und gepflegt hat. Eigentlich ist das offene Gärtnern ein ganz freies Angebot, man kann fünf Minuten bleiben oder auch eine Stunde. Jetzt in Wilhelmsburg merken wir, dass die Leute eher zwischendurch kommen, die Beete anschauen oder die Kräuter probieren. Aber beim offenen Gärtnern sind sie nicht so aktiv mit dabei. Dafür sind aber die Initiativen, die Kitas und Schulen vorne dabei, die Workshops zur Umweltbildung zu buchen – das war auf der Veddel ein bisschen reduzierter.

taz: Wie frei sind die Leute beim Gärtnern – kann man da alles pflanzen?

Wilhelm: Das Schöne ist, dass wir sowohl Gemüse als auch Wildstauden und Kräuter in den Beeten haben. Das heißt, da ist an sich für jede Leidenschaft etwas dabei. Was wir vorgeben, ist ein Anspruch und Fokus auf Biodiversität und Naturschutz. Deswegen packen wir keine Geranien in unsere Hochbeete.

taz: Wer kommt zum Gärtnern?

Wilhelm: An den Beeten kamen ganz verschiedene Menschen zusammen, das war total spannend: ein Rentnerpaar, eine Goldschmiedin, ein 3D-Designer und ein zweijähriges Kind mit seinem Vater. Es reicht von Leuten mit Masterabschluss bis zu Menschen ohne Ausbildung, Zugewanderten, in Deutschland Geborenen. Und es waren ganz offene Arme, mit denen wir empfangen wurden.

Das Projekt

Gemeinsames Gärtnern, Ernten, Schnacken am 9., 16., 23., 30. 10. und 6.11. um 16 Uhr in der Veringstraße 43/45, 21107 Hamburg

taz: Wie hat sich das konkret gezeigt?

Wilhelm: Wenn wir da an den Beeten standen, kamen die Leute vorbei und sagten, wie schön sie das finden und wie nett es ist, dass hier Natur steht und dass es den Stadtteil bunter macht. Selbst die Menschen, die mit Umwelt- und Naturthemen nicht so viel am Hut haben und die gar nicht gerne selbst gärtnern, haben es trotzdem zu schätzen gewusst – etwa, indem sie sich an die Sitzbeete gesetzt haben.

taz: Was bleibt auf der Veddel, nachdem der Garten weiter gewandert ist?

Wilhelm: Das ist auch davon abhängig, was die Nachbarschaft will. Unsere Idee ist nicht, dass auf Teufel komm raus Hochbeete bleiben. Es kann auch mal eine Grünflächenpatenschaft entstehen oder eine Baumscheibe bepflanzt werden. Wir haben aber auf der Veddel gemerkt, dass diese kunterbunten Hochbeete sehr geliebt wurden und jetzt wahnsinnig vermisst werden. Es wurde uns direkt angeboten, Unterschriften dafür zu sammeln. Jetzt versuchen wir, die Beete dort zu verstetigen.

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