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bio-giftskandalDie Stunde der Scheinheiligen

Renate Künast wird derzeit hart angegriffen. Der Bauernverband und manche Landesminister schelten die Verbraucherministerin als pro Bio und inkompetent, als fahrlässig und nicht durchsetzungsfähig. Wenn das stimmen würde, wären die Tage des grünen Agrostars gezählt. Schließlich ist ihr Vorgänger Karlheinz Funke zurückgetreten, weil er den BSE-Skandal zuerst kleingeredet hat und dann nicht richtig durchgreifen wollte.

Kommentarvon REINER METZGER

Diese Vorwürfe sind jedoch ein Schaulaufen der Scheinheiligen. Natürlich hat der bayerische CSU-Generalsekretär Recht, wenn er die Strukturen im deutschen Agrar- und Verbraucherbereich ineffizient nennt. Aber warum ist das so? Weil Deutschland ein Bundesstaat ist, in dem viele Länderminister verantwortlich sind. Und die wachen eifersüchtig, dass ihre Kompetenzen nicht geschmälert werden.

Ähnlicher (Bio-)Quark ist der Vorwurf, Künast wäre schuld, weil sie einseitig die Ökolandwirtschaft fördern würde. Denn: die alte Landwirtschaft wird, ohne Ansehen des Schadens für Mensch und Natur, weiterhin subventioniert. Das Gegenteil stimmt: Rot-Grün nimmt noch viel zu viel konventionelle Landwirtschaft in Kauf.

Der Agrarsektor entwickelt sich schon lange weg vom traditionellen Familienbetrieb: Großhändler, EU-weite Schlacht-, Milch- und Nahrungsmittelkonzerne bestimmen die Preise. Und das neuerdings zunehmend auch im Ökosektor. Hier müsste eine echte Agrarwende ansetzen – und regionalen Handel subventionieren, ebenso Betriebe, die Arbeitsplätze schaffen. Das konnte Künast bisher kaum in die Wege leiten, weil von unten die Bundesländer – egal ob von SPD oder CDU regiert – und von oben die EU-Ministerkollegen blockieren.

Wohlgemerkt – ein agroindustrieller Komplex, der nach Ökosiegel produziert, ist besser als einer mit konventionellen Methoden. Schon wegen der 30.000 Tonnen Pestizide, die jährlich über deutschen Äckern und Fluren niedergehen. Aber noch besser wäre eine überschaubare Biolandwirtschaft. Dann wären nicht wie jetzt beim Nitrofen-Weizen in einem Stall mehrere zehntausend Bioputen auf einen Schlag betroffen.

Doch eine bäuerliche Landwirtschaft stand und steht nicht oben auf der politischen Agenda. Es mussten vielmehr erst einmal mehr Bioprodukte her. Dafür brauchte Künast die Riesenagrarier. Vielleicht hätte die grüne Ministerin doch ihr ursprüngliches Agrarmotto beherzigen sollen: „Klasse statt Masse“.

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