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Regierungs-Leibwächter in SchwedenSportliche Eitelkeit als nationales Sicherheitsrisiko

Schwedische Regierungs-Leibwächter haben Jogging-Daten auf einer Trainingsplattform geteilt. So wurden geheime Aufenthaltsorte führender Politiker öffentlich.

Ulf Kristersson, schwedischer Ministerpräsident mit Bodyguard Foto: TT/imago

Härnösand taz | Sie sollen die schwedische Regierung und das Königshaus eigentlich vor allen Gefahren schützen, die hochrangigen Vertretern eines Staates drohen könnten. In einer nun von vielen Seiten bestaunten Sorglosigkeit veröffentlichten allerdings mehrere Leibwächter über Jahre die Daten ihrer Fitnesstracker auf der Trainings-Plattform Strava. Nicht nur Zeiten und Pulsfrequenzen, sondern auch genaue Standort-Angaben von Laufrunden.

Die Zeitung Dagens Nyheter (DN) zeigte nun auf, wie leicht sich aus den bis dahin offen zugänglichen Informationen nachvollziehen ließ, was eigentlich Top-Secret sein sollte. Dazu gehören Lauf-Routinen, Aufenthaltsorte und gar der geheime Wohnort von Schwedens Ministerpräsident Ulf Kristersson.

Im schlimmsten Fall könnten die Daten dafür genutzt werden, eine Tat gegen ihn zu planen, schlussfolgert DN – und ist damit nicht allein. Als „sehr ernst“ bezeichnete eine Sicherheitsexpertin die Erkenntnisse: Mögliche feindliche Akteure würden alle öffentlich zugänglichen Informationen nutzen, um Personen und ihre Bewegungsmuster zu kartografieren.

Schon der Job als Leibwächter bei der schwedischen Sicherheitspolizei Säpo ist eigentlich geheim, doch wenn jemand immer wieder von deren Zentrale nach Hause joggt, oder sogar einen Standort innerhalb des Gebäudes teilt, braucht es bei entsprechendem Interesse wohl nicht viel, um auf dessen besondere Rolle zu kommen.

Über 1000 veröffentlichte Einheiten

1400 veröffentlichte Trainingseinheiten von insgesamt sieben Leibwächtern hat DN nach eigenen Angaben dokumentiert. Alle sieben Personenschützer seien im vergangenen Jahr für den Schutz von Personen in Schwedens Machtzentrum zuständig gewesen.

Als Beispiel gilt etwa ein privater Wochenendtrip des Ministerpräsidenten und seiner Frau auf die Åland-Inseln. Nirgendwo wurde das öffentlich mitgeteilt – nur die Lokalzeitung berichtete, das Paar sei gesehen worden. Leibwächter seien ebenfalls vor Ort gewesen.

Einer dieser Leibwächter veröffentlichte allerdings an diesem Wochenende die Daten von zwei Joggingrunden, die beide direkt vor einem der besten Hotels am Platz starteten und endeten.

Auf ähnliche Weise seien auch Informationen etwa über die Parteichefin der Sozialdemokraten, Magdalena Andersson, und den Schwedendemokraten-Chef Jimmie Åkesson öffentlich gewesen. Auch eine eigentlich geheime Reise des schwedischen Königspaares auf eine Insel im Indischen Ozean war demnach auf der Trainings-Plattform online nachzuverfolgen.

Sicherheitspolizei bestätigt Verstöße

Die schwedische Regierung bestätigte zunächst nur, dass sie die Angaben bekommen habe. Details zur Sicherheitszusammenarbeit kommentiere man nicht. Justizminister Gunnar Strömmer sagte schließlich, man nehme die Angaben sehr ernst und sei in engem Kontakt mit der Säpo.

Die wiederum räumte ein, dass die Daten benutzt werden könnten, um ihre Arbeit zu kartografieren. Offenbar seien Vorschriften in gewissen Fällen nicht eingehalten worden. Die für Personenschutz zuständige Abteilungsleiterin Carolina Björnsdotter Paasikivi sagte: „Wir ergreifen nun Maßnahmen, um zu verhindern, dass das erneut passiert.“

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