Zwölfstündige Feuerpause in Nahost: Sie bergen ihre Toten
Während der humanitären Waffenruhe bergen die Palästinenser im Gazastreifen 40 Leichen. In Paris beginnt ein diplomatisches Krisentreffen.
GAZA/TEL AVIV dpa | Im blutigen Konflikt um den palästinensischen Gazastreifen ist am Samstagmorgen eine zwölfstündige humanitäre Feuerpause in Kraft getreten. Zwischen 07.00 und 19.00 Uhr (MESZ) sollen im Krieg zwischen Israel und der militant-islamischen Hamas die Waffen schweigen. In dieser Zeit kann sich die Zivilbevölkerung mit Lebensmitteln und Wasser versorgen, Hilfsorganisationen sollen humanitäre Hilfe leisten können.
Die palästinensischen Rettungskräfte haben seit dem Morgen 40 Leichen aus früheren Kämpfen geborgen. Dies teilte der Leiter der Rettungsdienste in Gaza, Aschraf al-Kidra, am Samstag mit. Die Bergungsarbeiten im Gaza-Stadtteil Sadschaija und in Teilen der südlichen Gemeinde Chan Junis seien noch nicht abgeschlossen, fügte er hinzu. Mit dem Inkrafttreten der Feuerpause konnten die Rettungskräfte die seit Beginn der israelischen Bodenoffensive am 17. Juli umkämpften und angegriffenen Gebiete erstmals betreten. Bei der Mehrheit der Opfer handele es sich um Zivilisten, hieß es.
In Paris begann unterdessen ein diplomatisches Krisentreffen. Die Außenminister der USA, Deutschlands sowie mehrerer weiterer Länder beraten über den Gaza-Konflikt und eine längerfristige Waffenruhe. Neben Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nehmen an dem am Vormittag begonnenen Treffen US-Außenminister John Kerry, die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton sowie die Außenminister von Großbritannien, Italien, Katar und der Türkei teil.
Die Zahl der getöteten Palästinenser in dem Konflikt stieg inzwischen auf 900, darunter rund 300 Frauen und Kinder, wie das palästinensische Gesundheitsministerium am Samstag in Gaza mitteilte. Zudem wurden in dem dicht besiedelten Gebiet am Mittelmeer in den vergangenen zweieinhalb Wochen mehr als 5700 Menschen verletzt. Auf israelischer Seite kamen bis Freitag 37 Soldaten und drei Zivilisten um.
Die Dringlichkeit einer Einstellung der Kämpfe unterstrich ein weiterer tragischer Vorfall: Israelische Artilleriegranaten trafen in der Nacht zum Samstag, kurz vor Inkrafttreten der Feuerpause, ein Wohnhaus in Chan Junis im südlichen Gazastreifen. Mindestens 18 Menschen - alle Angehörige derselben Familie - wurden dabei getötet und viele weitere verletzt, wie Aschraf al-Kidra, der Leiter der palästinensischen Rettungsdienste in Gaza, mitteilte.
Die Bemühungen von US-Außenminister Kerry um eine Waffenruhe waren am Freitag in ein entscheidendes Stadium getreten. Die israelische Regierung lehnte seinen Vorschlag, sieben Tage lang die Kämpfe ruhen zu lassen und über die Forderungen der Hamas zu verhandeln, in dieser Form ab. Das Kabinett von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu und die Hamas einigten sich schließlich auf Drängen von Kerry und UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zumindest auf die zwölfstündige Feuerpause am Samstag. Die humanitäre Maßnahme verschafft - so sie Bestand hat - den Spitzendiplomaten bei ihrem Krisentreffen in Paris die nötige Luft, um weiter an einer Friedenslösung zu arbeiten.
Die Waffenruhe könnte sich aber als brüchig erweisen. Das israelische Militär stellte kurz vor ihrem Inkrafttreten klar, dass seine am 17. Juli in den Gazastreifen eingerückten Truppen weiter damit fortfahren werden, nach Tunneln der Hamas zu suchen und diese zu zerstören. Etliche dieser unterirdischen Gänge reichen bis nach Israel und könnten zu Überraschungsangriffen auf grenznahe israelische Orte und zu Entführungen genutzt werden. Andere dienen der Hamas und anderen Militanten als Kommandozentralen, Waffenlager und Verstecke.
Flüge wieder aufgenommen
Israel hatte nach andauerndem Raketenbeschuss aus dem Gazastreifen am 8. Juli eine Offensive gegen die Hamas in dem abgeriegelten Palästinensergebiet begonnen.
In mehreren deutschen Städten sind am Samstag wieder Demonstrationen gegen den israelischen Militäreinsatz im Gazastreifen geplant. Kundgebungen wurden unter anderem in München, Hamburg und Frankfurt angemeldet.
Lufthansa, Air Berlin und die französische Air France bieten inzwischen wieder Flüge nach Tel Aviv an. Viele Fluggesellschaften hatten den Ben-Gurion-Airport wegen Raketengefahr im israelisch-palästinensischen Konflikt mehrere Tage lang nicht angeflogen.
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