Zwist bei den fünf Sternen: Grillos horizontale Diktatur
Mit der Kampfansage gegen Conte könnte Beppe Grillo seine Fünf-Sterne-Bewegung ins Schwanken bringen. Die Vorwürfe gegen Conte sind absurd.
A usgerechnet Beppe Grillo ist es, der jetzt den von ihm selbst auserkorenen neuen Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, den früheren Ministerpräsidenten Giuseppe Conte, abgeschossen hat, jener Protestbewegung, die bei den Wahlen 2018 mit fast 33 Prozent zum Wahlsieger wurde.
Grillos Argument für seine Kehrtwende: Conte habe nicht verstanden, dass die Fünf Sterne eine „horizontale Bewegung“ sei. Das ist ein witziges Argument, denn der jetzige Führungskampf wird als einsames Duell der beiden Kontrahenten ausgetragen, während die Aktivist*innen des Movimento5Stelle (M5S) nur staunend zuschauen dürfen, ohne gefragt zu werden.
Witzig ist auch, dass Grillo und Conte über das zukünftige Statut zanken – ein Statut, das nur sie beide kennen. Von wegen „horizontale Bewegung“: Seit der Gründung im Jahr 2009 war das M5S mit seinen Online-Abstimmungen immer bloß eine basisdemokratische Spielwiese, während Grillo in allen entscheidenden Personal- und Sachfragen mit diktatorischer Hand regierte.
An jener Machtvollkommenheit rüttelte jetzt Conte – und darf sich von Grillo vorwerfen lassen, er selbst wolle sich zum Diktator aufschwingen. Italien erlebt da einen tristen Konflikt, in dem es keineswegs um Politik und Zukunftsentwürfe geht, sondern allein um die Machtfrage. Es erlebt einen Konflikt, mit dem Grillo riskiert, sein eigenes Geschöpf zugrunde zu richten.
Für Italiens Demokratie wäre das kein Gewinn. In den Jahren an der Regierung ab 2018 hat das M5S einen Reifungsprozess durchgemacht, es hat die flächendeckende Grundsicherung erreicht, und die Koalition, in der sie unter Contes Führung Seniorpartner war, konnte in Europa das 750 Milliarden Euro schwere Paket „Next Generation EU“ durchsetzen.
Wenn die Fünf Sterne sich selbst zerlegen, dürfte das nur Italiens populistische Rechte freuen, die schon jetzt in allen Umfragen auf 40 Prozent kommt – und der die Macht mit den nächsten Parlamentswahlen geradewegs in den Schoß fallen würde.
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