Zwischennutzung im Palast der Republik: „Ein wahnsinniges Abenteuer“
Benjamin Foerster-Baldenius war einer der Initiatoren des „Volkspalastes“. Die Ausstellung über den Palast im Humboldt Forum will er sich nicht antun.
taz: Herr Foerster-Baldenius, wir stehen vor dem Humboldt Forum in Berlin-Mitte, in dem gerade die große Ausstellung über den Palast der Republik zu sehen ist. Wollen wir uns die Ausstellung gemeinsam anschauen?
Benjamin Foerster-Baldenius: Ich bin nicht uninteressiert, aber ich habe da so ein Dogma.
Welches?
Dass ich das Gebäude nicht betrete. Ich finde es doof, dass hier so ein Schloss steht. Deshalb habe ich entschieden, da nicht reinzugehen.
56, ist Mitglied bei Raumlabor Berlin. Der Architekt war einer der Ideengeber der Zwischennutzung im Palast der Republik.
Ist das eher Trotz oder noch so eine Art Widerstand?
Politischen Widerstand kann man das nicht nennen. Das merkt ja niemand, dass ich da nicht reingehe. Ungefähr einmal im Jahr werden wir als Raumlabor übrigens angefragt, ob wir im Humboldt Forum was machen wollen. Jedes Jahr muss ich antworten, welche Fehlentscheidung es war, anstelle des Palastes der Republik das Preußische Stadtschloss hinzustellen. Und dann da drin auch noch was zu machen, was nach Alexander von Humboldt benannt ist. Und auch noch diese Raubkunst reinzustellen. Ich hab dazu keine Lust. Vielleicht hab ich auch Angst davor, dass da jemand ein Foto von mir macht.
Sie sind einer der Unterzeichner einer Erklärung, die die Ausstellung „Hin und Weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“ als Zynismus kritisiert. Was ist zynisch daran, wenn das Humboldt Forum den Ort in Erinnerung ruft, an dem es sich befindet? Es ist ja nicht der Förderverein Stadtschloss, der die Ausstellung organisiert hat.
Wer die Ausstellung macht, ist mir egal. Um das Schloss zu bauen, musste der Palast weichen. Und jetzt wollen sie sich mit so einer Ausstellung rechtfertigen.
Der Ausstellung sind vier Jahre Forschung vorausgegangen. Zahlreiche Interviews wurde geführt, mit denen vielleicht auch Jüngere verstehen können, welche Rolle der Palast der Republik in der DDR gespielt hat. Das ist nicht irgendeine schnelle Ausstellung, die man da zur Rechtfertigung hat raushauen wollen.
Das kann ich durchaus nachvollziehen. Ich kenne ja auch Leute, die im Humboldt Forum arbeiten und die mir erzählt haben, was das für ein Kampf war, da eine ehrliche Ausstellung zu machen. Aber, wie gesagt, das Stadtschloss…
Es ist also völlig egal, ob die Ausstellung gut ist oder schlecht, sie ist am falschen Ort?
Wir machen gerade neben dem Gropiusbau das Projekt Radical Playgrounds. Wir bespielen also das Grundstück, auf dem einmal das Preußische Völkerkundemuseum stand. Also quasi der Schrank, in dem sich all die Objekte befanden, die jetzt im Humboldt Forum stehen. An so einem Ort eine Ausstellung über den Palast der Republik zu machen, hätte ich spannend gefunden. Stattdessen läuft das eher nach dem Motto: The Winner takes it all, und deshalb können wir auch den Losern ein bisschen Platz geben.
Sie sind einer der Mitinitiatoren der Zwischenpalastnutzung gewesen. Was hat Sie 2004, also vor 20 Jahren, dazu bewogen, in den asbestsanierten und entkernten Palast zu ziehen?
Da war ein wahnsinniges Potential für ein wahnsinniges Abenteuer.
Der Palast Der Palast der Republik wurde 1976 fertiggestellt. Er stand an der Stelle des 1950 gesprengten Berliner Stadtschlosses und beherbergte sowohl die DDR-Volkskammer als auch zahlreiche Restaurants und Bühnen.
Die Debatte Nach der Wiedervereinigung wurde der Palast 1990 wegen Asbestverunreinigung geschlossen. Es begann eine kontroverse Debatte um die Frage, ob an seiner Stelle das Schloss wiederaufgebaut werden soll. Von 1998 bis 2003 wurde der Palast asbestsaniert.
Zwischennutzung und Abriss Nach der Asbestsanierung wurde der Palast 2004 und 2005 zwischengenutzt. Initiatoren waren die Sophiensäle, Hebbel am Ufer und das Projekt Shrinking Cities der Bundeskulturstiftung. Nach einem Bundestagsbeschluss begann 2006 der Abriss. 2013 wurde mit dem Wiederaufbau des Schlosses begonnen. 2018 öffnete dort das Humboldt Forum.
Ausstellung Seit Mai läuft im Humboldt Forum die Ausstellung „Hin und Weg. Der Palast der Republik ist Gegenwart“.
Aneignung Mehrere Initiatoren der Zwischenpalastnutzung haben die Ausstellung kritisiert und die Initiative Schlossaneigung gegründet. Ziel ist ein Umbau des Humboldt Forums, „um die mit dem Nachbau der Schlossfassaden erfolgte Preußenverherrlichung aufzubrechen, die Fassaden des Humboldt Forums weiterzuentwickeln und für andere Perspektiven auf die deutsche Geschichte zu öffnen“. Ein erstes Treffen findet am Donnerstag, den 13. Juni, um 18.30 Uhr in der Galerie Aedes statt.
Wie kam es dazu?
Als der Palast asbestsaniert war und leer stand, hat Philipp Oswalt angerufen und gefragt: Benni, wollen wir da drin was machen?
Oswalt war zu dieser Zeit nicht nur mit dem Projekt Schrumpfende Städte beschäftigt, sondern auch einer der Aktivisten der Zwischennutzung leerstehender Gebäude.
Wir haben uns dann zusammengesetzt und beim Bier die Idee entwickelt, den Palast zu fluten. Das Projekt Fassadenrepublik war ein riesiger Erfolg. Jeder wollte mit dem Boot durch den gefluteten Palast schippern. Natürlich war da schon klar, dass er abgerissen wird, und auch Wilhelm von Boddien ist schon mit dem Klingelbeutel rumgegangen, um Spenden für den Wiederaufbau der Fassade zu sammeln.
Allerdings begann die Zwischennutzung mit der zweifelhaften Ausstellung der chinesischen Terrakotta-Armee.
Aber das hat die Tür aufgemacht. Danach hat keiner mehr gesagt, man könne nicht in den Palast rein, weil es zu gefährlich sei. Ich glaube, die eigentliche Auseinandersetzung mit dem Gebäude, seiner Geschichte und auch dem Potential, die da drin steckt, hat erst mit der Zwischennutzung begonnen. Die Leute konnten wieder rein, obwohl sie nichts wiedererkannt haben.
Die Bilder, die bleiben, sind allerdings die Boote oder später der Berg, den Raumlabor im Palast gebaut hat. War das nicht zuallererst eine große Spielwiese?
Für uns als junge Architekten war es eine Chance. So wie es auch für Heinz Grafunder und die anderen Architekten damals eine Chance gewesen war, den Palast da hinzubauen. Und natürlich hat es auch Spaß gemacht, damit unser Schindluder zu treiben. Das hat übrigens auch niemanden gestört. Das Grauen vor der Wiederkehr des Preußentums war überall zu spüren.
Die Zwischennutzung war also auch der Versuch, noch in letzter Minute den Abriss zu verhindern?
Auf jeden Fall. Mit dem Berg wurde es auch ernster, der hatte nicht so eine gute Presse wie die Fassadenrepublik. Vielleicht auch, weil manche die Angst hatten, dass da die Stimmung für das Schloss und auch die politische Mehrheit für den Abriss kippen könnte.
Zu dieser Zeit waren zwar der Abriss und der Schlossbau beschlossene Sache, aber immer mehr Leute wollten wissen, was da am Ende reinkommt. Dass es das Humboldt Forum werden würde, stand zu diesem Zeitpunkt nicht fest.
Abriss ohne Nutzungskonzept. Das wurde mit der Zwischennutzung mehr und mehr in Frage gestellt.
Manche sagen auch, der Erfolg der Zwischennutzung, bei der nicht nur Raumlabor mitgewirkt hat, sondern auch die Sophiensäle und das Hebbel am Ufer, habe den Abriss beschleunigt.
Kann sein.
Kritiker haben Ihnen vorgeworfen, das Gebäude seiner Geschichte und ehemaligen Nutzung endgültig zu berauben und den Weg für eine andere Nutzung zu bahnen?
Dahinter steckte natürlich auch der Vorwurf, einer Eventisierung der Stadtkultur Vorschub zu leisten. Ja, das haben wir gemacht. Wir haben uns damit auch auseinandergesetzt. Wir waren uns nicht einmal sicher, ob wir recht haben oder nicht. Im Nachhinein würde ich sagen, die Eventisierung der Stadtkultur hat auch ohne uns stattgefunden und ganz andere Dimensionen angenommen als die Projekte, die wir gemacht haben. Ich denke da an den Karneval der Kulturen oder das Public Viewing von Kulturprojekte Berlin.
In Ihrer Kritik zur aktuellen Palastausstellung fordern Sie eine Korrektur der äußeren Erscheinung des Stadtschlosses. Wie könnte die aussehen?
Ich finde es richtig, darauf hinzuweisen, dass die Fassade nur vor dem Hintergrund eines rechtsextremen Spendernetzwerks wieder entstehen konnte. Mich wundert das allerdings überhaupt nicht. Wenn man das preußische Stadtschloss wieder aufbaut, dann wird auch den Wünschen derer Tür und Tor geöffnet, die die Reichsfahne hochziehen.
Es könnte also gar keine Korrektur geben, solange die Fassade ist wie sie ist?
Meiner Meinung nach ist das, einzige, was man korrigieren kann, das, was im Inneren stattfindet. Das Ehrlichste wäre, wenn dort der Bundestag einzieht, der das Ganze beschlossen hat. Und für das Regierungsviertel finden wir eine kulturelle Nutzung.
Wäre die Wiederanbringung des Schriftzugs „Zweifel“ des norwegischen Künstlers Lars Ramberg eine gute Idee? Das zumindest fordert der Architekturkritiker Nikolaus Bernau.
Lars Ramberg hat immer gesagt, er würde das nach dem Abriss gerne wieder an die selbe Stelle stellen. Wenn der Bundestag ins Stadtschloss ziehen würde, dann wären die Zweifel-Buchstaben ein super Beispiel für Kunst am Bau. Dass wir zweifeln müssen, gehört zur Demokratie dazu.
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