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Zweiter Tag der russischen ParlamentswahlNawalnys App nicht mehr im Store

Laut Beobachtern ist es zu zahlreichen Verstößen gekommen. Google, Apple und Telegram haben auf Druck Moskaus die „Smart Voting“-App geblockt.

Diese Frau im russischen St. Petersburg schaut genauer nach, welche Namen so auf dem Wahlzettel stehen Foto: ap

Moskau/SAN FRANCISCO dpa/afp | In ganz Russland hat am Samstag der zweite Tag der Parlamentswahl begonnen. Im größten Land der Erde mit seinen elf Zeitzonen öffneten als letztes die Wahllokale in der Ostseeregion Kaliningrad um 8.00 Uhr MESZ. Gewählt werden noch bis Sonntag die 450 Abgeordneten der neuen Staatsduma für fünf Jahre sowie einige Regional- und Stadtparlamente. Der Urnengang wird von Manipulationsvorwürfen überschattet. Unabhängige Beobachter der Organisation Golos hatten am ersten Tag der Abstimmung am Freitag rund 2.000 Verstöße aufgelistet – meist mit Foto- und Videoaufnahmen.

Besonders verbreitet war demnach das Anrücken von Hundertschaften Uniformierter an einzelnen Wahllokalen, die ihre Stimme abgaben. Es gab auch Berichte über mehrfache Stimmabgaben. Gezeigt wurden zudem Dutzende Aufnahmen davon, wie vorausgefüllte Wahlzettel packenweise in die Wahlurnen gestopft wurden. „Es war ein furchtbarer Tag. Schmierig und schmutzig“, schrieb die St. Petersburger Lokalpolitikerin Irina Fatjanowa bei Twitter. Die Wahlkommission habe die Beschwerden über Verstöße nicht angenommen und einfach zerrissen.

Dagegen hatte die Chefin der zentralen Wahlkommission, Ella Pamfilowa, die Organisation der Abstimmung am Freitag gelobt. Die Wahlbeteiligung am ersten von drei Tagen wurde mit 16,85 Prozent angegeben. Die Kremlpartei Geeintes Russland will ihre absolute Mehrheit in der Staatsduma verteidigen. Sie wird von Präsident Wladimir Putin unterstützt, für den die Wahl ein wichtiger Stimmungstest ist.

Viele prominente Oppositionelle sind nicht zur Wahl zugelassen, darunter die Unterstützer des inhaftierten Kremlgegners Alexej Nawalny. Dieser rief zu einer Protestwahl gegen die Kremlpartei auf.

„Gefährlicher Präzedenzfall“

Schon am Freitag jedoch hatte der US-Technologiekonzern Apple wie auch sein Konkurrent Google die Wahlempfehlungs-App „Smart Voting“ der Nawalny-Anhänger in ihren App-Stores gelöscht. Die Unternehmen begründeten dies mit „beispiellosem“ Druck aus Moskau. Aus mit der Entscheidung bei Apple vertrauten Kreisen hieß es, die russische Regierung habe mit der Festnahme von örtlichen Apple-Mitarbeitern gedroht.

Aus informierten Kreisen bei Google kam ein ähnlicher Wortlaut: Die russische Regierung habe mit der Festnahme von Mitarbeitern sowie massiven rechtlichen Repressalien gedroht. Der Druck aus Moskau sei „beispiellos“ gewesen.

Zunächst konnten Nut­ze­r:in­nen die Empfehlungen der „Smart Voting“-App über den in Russland weit verbreiteten Online-Dienst Telegram weiterhin empfangen. Am Samstag aber folgte Telegram schließlich dem Beispiel von Google und Apple.

Unternehmensgründer Pawel Durow erklärte am Samstag, er habe nach der Entscheidung der beiden US-Unternehmen keine andere Wahl gehabt. Apple und Google bestimmten „gegenüber Entwicklern wie uns die Spielregeln“ schrieb er auf Telegram.

Die Entfernung von Inhalten mit Bezug zu Wahlen stehe im Zusammenhang mit dem russischen Verbot von Wahlwerbung während des Urnengangs, schrieb Durow weiter. Zwar halte er dies für legitim, die App-Blockade durch die US-Konzerne stelle jedoch einen „gefährlichen Präzedenzfall“ dar, welcher sich auf „die Meinungsfreiheit in Russland und weltweit auswirkt“.

Unterstützer des inhaftierten Kreml-Kritikers Alexej Nawalny warfen den US-Unternehmen und später auch Telegram Zensur vor. Die Unternehmen hätten der „Erpressung des Kremls“ nachgegeben, sagte der im Exil lebende Nawalny-Vertraute Leonid Wolkow. Der Kreml begrüßte dagegen die Löschung der App.

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