piwik no script img

Zweiter Elternbrief zum KitastreikDa ist die Kaka am Dampfen

Gereon Asmuth
Kommentar von Gereon Asmuth

Kita-Er­zie­he­r:in­nen streiken eine Woche für mehr Personal. Berlins Bildungssenatorin blockiert Verhandlungen. Zeit für noch einen bösen Brief.

Es geht um Berlin: Bildungssenatorin Katharina Günther-Wünsch vor einem wichtigen Hinweis im Hintergrund Foto: Soeren Stache/dpa

L iebe Katharina Günther-Wünsch,

Sie sind ja eine Frau vom Fach. Nicht nur Mutter diverser Kinder, sondern als Bildungssenatorin auch noch zuständig für die landeseigenen Kita-Betriebe. Die will die Gewerkschaft Verdi jetzt gleich eine Woche lang be­streiken – nicht weil sie mehr Geld für die Er­zie­he­r:in­nen rausschlagen will, sondern weil sie die absolut überfällige Verbesserung der Arbeitssituation in den Kitas einfordern. Kurz gesagt: mehr Personal für die Kinder! Nur Sie im Senat stellen sich seit Wochen stur.

Dass ich wie viele Eltern deswegen stinksauer bin, habe ich vor zwei Wochen schon Ihrem Kollegen Stefan Evers (auch CDU) geschrieben. Der ist als Finanzsenator Tarifpartner und damit Ansprechpartner für die Gewerkschaften. Aber er verleumdet den Arbeitskampf der Er­zie­he­r:in­nen als „Sinnlosstreik“. Mir hat er immerhin sehr ehrlich geantwortet, dass er von Kindern wenig Ahnung hat. Er habe es eher mit schwer erziehbaren Erwachsenen zu tun.

Ich hoffe ganz ehrlich, er meint Sie damit. Weil Sie wissen, dass in den ­Kitas die Kaka am Dampfen ist, dass Sie ­deshalb täglich dreimal bei dem Onkel mit dem Geld auf der Matte stehen und mehr Unterstützung für die Kids und ihre Er­zie­he­r:in­nen fordern. Ach, tun Sie nicht? Nein? Sie gehören sogar zur Streikfront im Senat, die Ver­handlungen aus formalen Gründen verweigert?

Immerhin haben Sie das Problem ansatzweise erkannt. Es fehlt Personal in den Kitas. 2.500 weitere Stellen müssten besetzt werden, wenn die Forderungen der Gewerkschaften umgesetzt würden, haben Sie errechnet. Und dafür fehle es an Er­zie­he­r:in­nen wegen des Fachkräftemangels.

Stimmt! Aber wissen Sie was? Wenn Sie nicht bald etwas als fürsorgliche Arbeitgeberin tun, laufen Ihnen die auch noch weg, die jetzt noch da sind. Dank Fachkräftemangel finden die nämlich überall etwas Besseres. Oder sie werden wegen Überlastung reihenweise krank – sodass Kitas jetzt schon Notfallpläne entwickeln, welche ihrer kleinen Kun­d:in­nen sie kurzerhand vor die Tür setzen, wenn mal wieder niemand zur Betreuung da ist – von Zeit für gute Bildung ist da noch nicht mal die Rede.

Und wie Sie theoretisch Interessierte dazu bringen wollen, sich für diesen stressigen Beruf ausbilden zu lassen, wenn es doch auch entspanntere Jobs – wie sagen wir mal Bildungssenatorin – gibt, bleibt auch ein Rätsel. Klingt kindisch? Klar, aber so ist das offenbar in Sachen Kita-Politik.

Herr Evers hat geschrieben, Sie seien „immer an kreativen, inno­vativen und realisierbaren Verbesserungs­vorschlägen“ interessiert. Schlimm ­genug, dass Sie im Senat offenbar keine eigenen haben. Aber dann nehmen Sie doch die Offerte der Gewerkschaften an! Die streikenden Er­zie­he­r:in­nen sind Ihre stärkste Truppe, Ihr Motor für bessere Bildung. Und die brauchen wir. Für die Zukunft unserer Kinder. Sie sind die Zukunft für unser Berlin. Mehr geht nur gemeinsam.

Herzlichst,

Gereon Asmuth

(zweifacher Kita-Vater)

PS: Nächste Woche ist das Abschiedsfest für meinen Großen in der Kita. Wenn das ausfällt, weil die CDU bockt, ist er dank frühkindlicher Prägung für alle Zeiten als CDU-Wähler verloren.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Gereon Asmuth
Ressortleiter taz-Regie
Leiter des Regie-Ressorts, das die zentrale Planung der taz-Themen für Online und Print koordiniert. Seit 1995 bei der taz als Autor, CvD und ab 2005 Leiter der Berlin-Redaktion. 2012 bis 2019 Leiter der taz.eins-Redaktion, die die ersten fünf Seiten der gedruckten taz produziert. Hat in Bochum, Berlin und Barcelona Wirtschaft, Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation und ein wenig Kunst studiert. Mehr unter gereonasmuth.de. Bluesky:@gereonas.bsky.social Mastodon: @gereonas@social.anoxinon.de ex-Twitter: @gereonas Foto: Anke Phoebe Peters
Mehr zum Thema

4 Kommentare

 / 
  • Wir haben einen gültigen Tarifvertrag. Deshalb halte ich den Streik für illegal.



    Wegen des Fachkräftemangel kann der Staat einige Forderungen nicht erfüllen. Bleibt eine Triage: welche Kinder bekommen die vorhandenen Kapazitäten? Bekommen nur Kinder von sozial schwachen oder zur Erziehung unfähigen Eltern einen Platz? Dann wäre das kein Kompliment!!! Dürfen Eltern noch arbeiten? Muss man die Beiträge erhöhen, also letztlich die knappen Kapazitäten versteigert?



    Haben die Bundesgesetze über Rechtsanspruch einfach zuviel versprochen, was uneinbringlich ist und schon immer war? Hat die Umsonst- Kultur der linken Parteien das System überfordert und das Geld entzogen?



    Wenn man über eine Dienstpflicht redet neben Bundeswehr: warum nicht auch in der Kita?



    Andere Zeitungen schreiben über Zwei-Kassen-Kita: Gut erzogene Kinder von wohlhabenden Eltern sind pflegeleichter, wer will schon mehrere fremde Sprachen lernen, um überhaupt mit den Eltern reden zu können, wer will nach Feierabend noch mit dem Jugendamt reden? Also wird in den armen Gegenden gekündigt und in guten der Job gemacht.

  • Als Kita-Vater finde ich es schade, dass der Autor eine gute Gelegenheit verpasst hat. Keine Frage, Verbesserungen in den Kitas sind notwendig. Nur sind Warnstreiks auf der Basis einer sehr dünnen Rechtsauffassung während eines bestehenden Tarifvertrages der vollkommen falsche Weg. Die Gewerkschaften hätten dies alles beim letzten Tarifvertrag ausverhandeln müssen.

    Der Senat hat seinen Standpunkt unlängst klar gemacht. Statt das Ganze untätig auszusitzen wäre es jetzt geboten, die Streiks per gerichtlicher Entscheidung unterbinden zu lassen. Leider fehlt diese Forderung im Elternbrief.

  • Nicht GEW! VERDI. GEW hat Ihr Mandat abgetreten an VERDI

    • Gereon Asmuth , Autor des Artikels, Ressortleiter taz-Regie
      @Thomas Herfen:

      Danke und sorry. Wir haben es geändert