Zweite Berliner Libyen-Konferenz: Virtuelles Treffen, virtuelles Land

Libyen bleibt politisch gelähmt, trotz vorläufiger Einstellung der Kämpfe. Und weiterhin strömen von außen Waffen ins Land.

Kämpfer auf Pick-Ups fahren durch die Wüste

Immerhin liegt die Kriegsfront jetzt in der Wüste: Regierungskämpfer im September Foto: Ayman al-Sahili / reuters

TUNIS taz | Neun Monate nach der Berliner Libyen-Konferenz vom Januar haben sich die Teilnehmer wiedergetroffen – coronabedingt per Video. Bundesaußenminister Heiko Maas zog nach der kurzen Runde mit Diplomaten aus 19 Ländern unter Leitung der UN-Mission für Libyen und des Auswärtigen Amtes am Montag eine verhalten positive Bilanz.

Vieles sei möglich geworden, was bisher nicht denkbar gewesen sei, so Maas: eine neuen Regierung sei „eigentlich nur eine Frage von Wochen“.

Im Januar waren die Außenminister fast aller in Libyen aktiven Länder nach Berlin gekommen, dazu die besonders engagierten türkischen und russischen Präsidenten Tayyip Erdoğan und Wladimir Putin. Der damals beschlossene 52-Punkte-Plan zur Beendigung der Schlacht um Tripolis und eine Rückkehr zu einem politischen Dialog blieb Makulatur. Die ausländischen Unterstützer der Kriegsparteien verstärkten ihre Lieferungen von Waffen und Söldnern: Türkei und Katar auf Seiten der international anerkannten Regierung in Tripolis, Russland und die Vereinigten Arabischen Emirate zugunsten der Rebellenarmee von General Haftar im Osten.

Der von der Türkei eingefädelte Einsatz mehrerer tausend syrischer Rebellen wendete im Sommer das militärische Blatt zugunsten der Einheitsregierung von Premier Fayez Serraj. Nach dem Rückzug seines Konkurrenten Haftar von Tripolis stehen sich die ost- und westlibyschen Konfliktparteien seitdem in Zentrallibyen gegenüber – nahe der größten Ölfelder Libyens, aber in einem eher menschenleeren Gebiet. Der mündlich vereinbarte Waffenstillstand wird seit mehr als acht Wochen eingehalten.

Dennoch kommen weiterhin täglich Waffenlieferungen und Kämpfer in den Häfen und auf den Militärflugplätzen bei Bengasi und Tripolis an. Maas erinnerte am Montag an die im Januar einhellig beschlossene Einhaltung des seit 2011 geltenden Waffenembargos.

Immer wieder werden Brüche entdeckt: Im September brachte die im Rahmen der EU-Mission „Irini“ vor der libyschen Küste kreuzende deutsche Fregatte „Hamburg“ ein Tankschiff auf und eskortierte es nach Malta zur Durchsuchung. Die unter zyprischer Flagge fahrenden „Royal Diamond 7“ hatte Kerosin geladen, offenbar für Kampfflugzeuge von Feldmarschall Haftar gedacht.

„Die beteiligten Staaten stellen die grundsätzliche Verpflichtung aller Beteiligten zum Frieden infrage“, mahnte UN-Generalsekretär Antonio Guterres am Montag die Embar­gobrecher.

Denn zwischen den libyschen Kriegsparteien gibt es Anzeichen einer politischen Annäherung. In Marokko, Ägypten und dem schweizerischen Montreux trafen sich in den letzten Wochen libysche Verhandlungsdelegationen.

Alles bleibt wie gehabt

Während Kommandeure die Schaffung einer entmilitarisierten Zone in Zentrallibyen diskutieren, suchen zivile Emissäre einen Weg für eine neue Regierung. Premier Fayez Serraj in Tripolis und die ostlibysche Parallelregierung von Abdullah Thinni hatten im September ihre Rücktritte angekündigt, nachdem in West und Ost Menschen gegen die Untätigkeit der beiden Regierungen und die Plünderung des Staatsbudgets durch bewaffnete Gruppen auf die Straße gegangen waren. Es gab Schüsse auf die Demonstranten durch Milizen.

Serraj macht den Vollzug seines von internationalen Diplomaten gelobten Rücktrittsangebots allerdings von einem unterzeichneten förmlichen Waffenstillstand abhängig. Und in Ostlibyen hat das Parlament seine Abstimmung über die Demission von Thinni auf unbestimmte Zeit verschoben.

Also bleibe erst einmal doch alles wie gehabt, klagen jetzt Vertreter der Zivilgesellschaft. Kritik gibt es auch an der intransparenten Auswahl der Teilnehmer der libysch-libyschen Friedensgespräche in Marokko und Ägypten.

Für den Alltag der Bürger hat das politische und militärische Patt dramatische Folgen. Wegen mangelnder Wartung fällt die Wasser- und Stromversorgung in vielen Regionen oft tagelang aus. Die sowieso grassierende Korruption steige unter den jetzt auf Abruf arbeitenden Regierungsbeamten und Funktionäre noch weiter, berichten libysche Journalisten aus Bengasi und Tripolis der taz.

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