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Zwangsprostitution in DeutschlandRegierung geht auf Kundenfang

Erst fand die SPD das noch kontraproduktiv, jetzt ist die Große Koalition sich einig: Gehen Freier wissentlich zu einer Zwangsprostituierten, werden sie dafür bestraft.

Kein Vergnügen: Polizeirazzia in einem Bordell in Oberhausen. Bild: imago/Jochen Tack

KÖLN afp | Die große Koalition hat sich einem Bericht zufolge darauf geeinigt, Freier von Zwangsprostituierten künftig zu bestrafen. „Mit der Bestrafung von Freiern von Zwangsprostituierten werden wir den Menschenhandel zumindest teilweise austrocknen können“, sagte Unionsfraktionsvize Thomas Strobl dem Kölner Stadt-Anzeiger vom Montag. „Unsere Rechtsordnung muss klar und deutlich machen: Ein solches Verhalten geht gar nicht.“

Die Gesetzespläne, auf die sich SPD und Union verständigten, sehen dem Bericht zufolge vor, dass Freier bestraft werden, wenn sie wissentlich die Zwangslage von Opfern von Menschenhandel und Zwangsprostitution ausnutzen.

Wie der Kölner Stadt-Anzeiger weiter berichtete, wird das Bundesjustizministerium einen entsprechenden Straftatbestand erarbeiten. Das Strafmaß ist aber demnach noch unklar.

Die Freierbestrafung war bis zuletzt umstritten in der Koalition. Während die Verschärfung eine der Kernforderungen der Union war, lehnte die SPD sie als kontraproduktiv ab. Sie argumentierte, dass Experten von Polizei, Justiz und Frauenberatungsstellen eine Bestrafung von Freiern ablehnen, da diese wichtige Partner bei der Bekämpfung von Zwangsprostitution sein könnten.

Strobl sagte dazu: „Hilft der Freier der Zwangsprostituierten und erstattet Anzeige, wird er nicht bestraft.“ Auch die rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion, Elisabeth Winkelmeier-Becker begrüßte die Einigung. „Im Kampf gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel in Deutschland sind wir heute einen entscheidenden Schritt weitergekommen“, sagte die CDU-Politikerin dem Kölner Stadt-Anzeiger. Ohne Nachfrage gebe es auch weniger Anreize, Frauen sexuell auszubeuten. Zusammen mit der Regelung der Prostitution helfe dies den Frauen am meisten.

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10 Kommentare

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  • @Jens Brehl - auch interessant:

    Die rechtliche Situation von Prostituierten in Europa und der Welt ist vollkommen unterschiedlich. Während in Deutschland, Österreich und den Niederlanden relativ viel möglich ist, gehen andere Länder, z.B. Schweden und Frankreich sehr viel strikter vor.

    Dort werden Freier nämlich nicht nur bestraft, wenn sie Sex mit Zwangsprostituierten haben, sondern ganz grundsätzlich für jeden käuflichen Sex.

    Mehr dazu findest du in dieser Studie: lustmag.com/wohlbe...-sexarbeiterinnen/

  • Wieder einmal so ein unausgegorenes Thema, dass uns vor den Folgen deutscher Europa- und Welt-Politik ablenken soll.

     

    Gebt diesen Frauen einen sicheren und vom Staat beschützen Ort, wo sie selbstbestimmt ihre Dienstleistungen anbieten und erbringen können.

     

    Zwangs-Prositution ist eine Folge unfreierWirtschaftspolitik, also des Neo-Liberalismus.

    Hartz-IV ist auch eine Form der Zwangsprostitution.

  • Wenn der Polizei bekannt ist, dass es sich um Zwangsprostituierte handelt, muss sie dann nicht ohnehin verhindern, dass ein Kontakt mit Freiern überhaupt noch zustandekommen kann?

    Wenn der Polizei nicht bekannt ist, dass es sich um Zwangsprostituierte handelt, wird man auch den Freiern nichts Strafbares nachweisen können. Mich überzeugt dieses Konzept überhaupt nicht und aus meiner Sicht geht es hier mal wieder nur darum, so zu tun, als täte man was. Den Prostituierten hilft das nicht, aber die Polizei kann sich so noch besser rausreden.

  • Freier die wissentlich eine Situation ausnützen, in denen die Frau in ihrer Handlungsfreiheit eingeschränkt ist, machen sich auch heute schon strafbar. Nötigung in einem besonders schweren Fall, sexuelle Nötigung und/oder Vergewaltigung wären die einschlägigen Vorschriften. Es wird halt nur kaum jemals ein Freier bei sowas erwischt. Das wiederum liegt daran, dass es die klassische Zwangssituation á la mit dem Sack über dem Kopf über die Grenze nur im Fernsehen gibt.

     

    In der Realität gibt es mehr als genug Frauen auf der ganzen Welt, die bereit sind, als Prostituierte in Deutschland und anderen westlichen Ländern zu arbeiten. Das Problem ist eher, dass viele dieser Frauen dann in kriminellen Netzwerken landen, die sie ausbeuten. Nicht anders als die ausländischen Arbeiter auf dem Schlachthof oder teilweise in der Landwirtschaft. Diese Situation müsste verbessert werden.

  • Die Experten, die das gesetzliche Strafmaß festlegen sollten, sollten auch diejenigen sein, die betroffen sind: Die Zwangsprostituierten selbst.

     

    Ist da eine Anhörung geplant?

  • Die "Experten von Polizei, Justiz .." sind doch einschlägig bekannt dafür daß sie vor allem Kunden in diesem Milieu sind. Aus diesem Blickwinkel sind es natürlich wirklich "Experten".

  • Dürfte schwierig für den Staatsanwalt werden dem Freier nachzuweisen, dass er vorher schon wusste, welche Dame im Puff Zwangsprostuierte ist und welche nicht.

  • Maßnahmen gegen Zwangsprostitution sind zu begrüßen. Mir ist aber immer noch nicht klar, wie ein Freier erkennen soll, wann Zwangsprostitution vorliegt und wann nicht.

    • @Jens Brehl:

      Auf markt.de gibt's ein paar Hinweise:

      "Es gibt einige Kriterien und Anzeichen, anhand derer Zwangsprostituierte erkennbar werden:

       

       

      •Frauen, deren Kleidung oder Körper auf Misshandlungen und Gewalt hinweisen,

      •die weinen oder verängstigt sind,

      •die Ekel oder Widerwillen ausdrücken,

      •die nicht professionell und selbstbestimmt arbeiten,

      •die nicht nach den Wünschen von Männern fragen,

      •alle Sexualpraktiken tabulos durchführen,

      •auf Wunsch ohne Kondome arbeiten,

      •die mit dem Kunden verbrachte Zeit nicht selbst bestimmen können,

      •Kunden nicht ablehnen können oder dürfen,

      •das verdiente Geld nicht selbst entgegen nehmen,

      •in verschlossenen Räumen arbeiten,

      •kein oder kaum Deutsch sprechen,

      •oder minderjährig sind."

      http://www.markt.de/contentId,zwangsprostitution-erkennen-und-verantwortungsvoll-helfen/inhalt.htm

      Googlen oder einfach mal den Kopf benutzen hilft aber auch.

      • @Karlheinz:

        Ich muss zugeben, dass ich mich mit diesem Thema noch nicht beschäftigt habe und nur hin und wieder Medienberichte dazu lese. Ich dachte immer: Klar, der Kunde kann fragen, aber bekommt er auch eine ehrliche Antwort?

         

        Daher fand ich die politische Idee auch die Freier mit in die Verantwortung zu nehmen schon gut, aber mir war halt unklar, wie das in der Praxis funktionieren soll.

         

        Deine Liste ist aber schon recht beängstigend - alleine dass es so etwas wie Zwangsprostitution gibt und was die Frauen durchleben!