Zwangsarbeiterinnen-Kinder in Hamburg: Sie lebten nur wenige Tage
Margot Löhr initiierte Stolpersteine für Zwangsarbeiterinnen-Kinder, die das NS-Regime ermorden ließ. Nun wird ein Platz nach einem der Babys benannt.
Begonnen hat das alles 2001, als in einer Kirche ihres Stadtteils Hamburg-Fuhlsbüttel eine Gedenkwand für die zivilen Opfer des NS-Regimes entstehen sollte – gegenüber der Ehrentafel für die „gefallenen“ Soldaten. Da hat man Löhr gefragt, ob sie, gemeinsam mit SchülerInnen, mitmachen wollte. Sie wollte.
Mit Kindern habe sie schon als Psychologin gern gearbeitet, ihre Diplomarbeit hatte sie über obdachlose Kinder verfasst und später Sinti-Kinder betreut, mit deren Familien sie bis heute befreundet ist. Für besagtes Kirchenprojekt hat sie mit SchülerInnen Ideen entwickelt und gemeinsam mit ihnen Tontafeln für die Gedenkwand getöpfert. Und natürlich trat sie der kurz darauf entstandenen Stolperstein-Initiative bei und begann, Biografien von NS-Opfern zu erforschen. Heraus kamen zwei Gedenkbücher für Hamburg-Nord, herausgegeben von der Landeszentrale für Politische Bildung und wissenschaftlich betreut vom Institut für die Geschichte der Deutschen Juden.
Irgendwann im Laufe dieser Recherchen sei sie auf Sterbedaten von Kindern gestoßen, deren Wohnort mit „Lager Tannenkoppel“ angegeben war, sagt sie. „Da wurde mir erstmals klar, dass in den Frauen-Zwangsarbeiterlagern auch Kinder waren.“ Und dass sie oft nur Tage oder Wochen lebten und an Unterernährung, Lungenentzündung, Kinderkrankheiten starben, „was vermuten lässt, dass sie in den sogenannten Ausländer-Kinderpflegestätten durch Vernachlässigung ermordet wurden“, sagt Löhr. „Denn die Mütter wurden weiter in 10- bis 12-Stunden-Schichten gezwungen und konnten sich kaum um sie kümmern.“
Stolpersteine und Gedenkwürfel
All dies war wenig bekannt, und so initiierte Löhr 2018 die erste Verlegung von Stolpersteinen für solche Kinder vor dem einstigen „Lager Tannenkoppel“ in Hamburgs Norden. Auch an der Aufstellung des bunten Gedenkwürfels im „Garten der Frauen“ auf dem Ohlsdorfer Friedhof war sie 2023 beteiligt. Und nun, am 12. April, wird in Hamburg der „Teressa-Platz“ eingeweiht, gewidmet der 1943 nach zwei Tagen gestorbenen Tochter der polnischen Zwangsarbeiterin Hanka Scira, die im KZ Fuhlsbüttel einsaß. Sie kam später ins KZ Ravensbrück, dann in ein Lager bei Salzgitter. Mehr fand Löhr nicht heraus.
Aber sie wird weiter forschen, „denn wenn ich die NS-Verbrechen schon nicht ungeschehen machen kann, empfinde ich die Verantwortung, sie zumindest aufzudecken“, sagt sie. Das helfe ihr auch über die immer wieder aufwallende Trauer hinweg. Und die Resonanz gibt ihr recht: „Ich will das gar nicht – aber die Dankbarkeit von Angehörigen für Informationen über ihre Familie ist riesig.“ Auch beim Filmfest im polnischen Gdynia, wo ein Trailer über ihre Arbeit lief, wurde sie 2023 geehrt. „Es ist schön, dass Deutsche und Polen jetzt gemeinsam gedenken.“ Eine polnische Sängerin hat sich auch zur Einweihung des „Teressa-Platzes“ angekündigt. Sie will Wiegenlieder singen. Ein nachholender Trost, den die drangsalierten Mütter nicht geben konnten.
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