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Zustimmung zur Hilfe für globalen SüdenSeit 2022 im Sinkflug

Laut Analyse von Deval befürworten weniger Befragte Ausgaben für Entwicklungspolitik. Grund dafür ist die persönliche wirtschaftliche Lage.

„Frauenprojekte“ kommen besser an als „feministische“. Die Entwicklungsministerin besucht eine Ausbildungsstätte in Burkina Faso Foto: Ute Grabowsky/photothek/imago

Berlin taz | Die Unterstützung der Menschen in Deutschland für die Entwicklungszusammenarbeit hat einer Umfrage zufolge in den vergangenen zwei Jahren abgenommen. Grund ist laut dem Meinungsmonitor Entwicklungspolitik 2024 vor allem die persönliche wirtschaftliche Lage der Befragten, die seit dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine mit hohen Preissteigerungen von Strom und Lebensmitteln konfrontiert waren.

Die Analyse wird alle zwei Jahre vom Deutschen Evaluierungsinstitut der Entwicklungszusammenarbeit (DEval) durchgeführt. Das Institut wird aus Mitteln des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ) finanziert.

Während Anfang 2022 noch 68 Prozent der Befragten die Ausgaben für deutsche Entwicklungszusammenarbeit befürworteten oder gar erhöhen wollten, waren es Anfang 2024 nur noch 47 Prozent. Im Vergleich zu anderen Politikfeldern wurden am ehesten bei der Entwicklungszusammenarbeit Raum für Kürzungen gesehen. Generell ist die Zustimmung für humanitäre Hilfe mit 72 Prozent etwas höher als für Entwicklungszusammenarbeit mit 63 Prozent unter den Befragten.

„Insgesamt sind die Motive der moralischen Verpflichtung gegenüber dem Globalen Süden zurückgegangen“, sagte Sebastian Schneider, der das Evaluationsteam des Berichts leitet, bei der Vorstellung der Ergebnisse am Montag. Ebenso habe das Narrativ von Entwicklungszusammenarbeit als Mittel zur Bekämpfung globaler Herausforderung an Überzeugungskraft verloren.

Spaltung der Gesellschaft zwischen Isolation und Kooperation

„Fluchtursachenbekämpfung“ war das zweithäufigst genannte Motiv für deutsche Entwicklungspolitik unter den Befragten. An erster Stelle steht weiterhin „Mit wenigen Mitteln viel Gutes bewirken“. Die Wis­sen­schaft­le­r*in­nen fanden, eine Spaltung der Gesellschaft: Etwas mehr der Befragten sprechen sich für globale Kooperation aus, dicht gefolgt von Einstellungen, die eine Isolierung Deutschlands begrüßen.

„Die Ergebnisse zeigen, dass die Bürger die Entwicklungszusammenarbeit als isoliertes Feld sehen und nicht mit ihrer eigenen Lebenswelt verknüpfen“, sagte Entwicklungsforscherin Simone Dietrich von der Universität Genf. Insgesamt deckte sich das deutsche Befinden mit Tendenzen in anderen europäischen Ländern oder den USA.

Gleichzeitig gab es in den vergangenen Jahren erhöhte Aufmerksamkeit für Entwicklungspolitik, nicht zuletzt aufgrund der von AfD-Politikern angestoßenen Debatte über deutsche Kredite für Fahrradwege in Peru im Streit über den Haushalt. Das zeigen auch Analysen des Deval-Teams von den Tweets auf X zum Thema deutlich.

Die öffentliche Kritik könne für Entwicklungszusammenarbeit auch eine Chance sein, sagte Schneider. „Die negativen Aufmerksamkeitsspitzen können genutzt werden, um in den Diskurs mit der Öffentlichkeit zu gehen“.

Begriff „Feministische Entwicklungspolitik“ polarisiert

Laut Bericht wirkt der Begriff der Feministischen Entwicklungspolitik polarisierend. „Verglichen mit anderen Schwerpunktsetzungen, wie menschenrechtsbasierter oder friedensfördernder Entwicklungspolitik, befürworten die Befragten feministische Entwicklungspolitik weniger, obwohl sie die wesentlichen Inhalte, etwa die Stärkung der Rechte von Frauen, Mädchen und marginalisierten Gruppen, gutheißen“, heißt es im Bericht.

Das BMZ sieht darin dennoch eine Bestätigung der eigenen Strategie, die feministische Entwicklungszusammenarbeit explizit in den Vordergrund zu stellen: „Polarisierung ist ja per se nichts Schlechtes. Es war immer auch ein Ziel der feministischen Ausrichtung der Entwicklungspolitik, eine öffentliche Diskussion über Entwicklungspolitik anzuregen. Der Meinungsmonitor zeigt auch, dass das Wissen über feministische Entwicklungspolitik sich erhöht hat“, sagte eine BMZ-Sprecherin der taz. Letztlich komme es nicht darauf an, was auf den Projekten, die Frauen zugutekommen, draufsteht, sondern was drin ist.

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3 Kommentare

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  • Das ist bedauerlich.

    Entwicklungsminister Schmidt vor einigen Jahren bei Maybrit Illner: "Für eine Million Flüchtlinge in Deutschland geben wir dieses Jahr 30 Milliarden Euro aus. Ich bekomme, um Entwicklungshilfe zu leisten, eine Milliarde. Für die 30 könnten wir vor Ort viel mehr erreichen."

    Nun, mittlerweile sind wir bei über 50 Milliarden. Geld, was z. B. die Welthungerhilfe dringend benötigte um den über 300 Millionen akut Hungernden (zu unterscheiden von den 800 Millionen Menschen, die unter Nahrungsmittelknappheit leiden) zu helfen.

    Auch die UNHCR könnte 50 Milliarden Dollar bestens verwenden für über 80 Millionen Flüchtende.

    Prävention gegen weibliche Genitalverstümmlung, 250 Millionen Frauen sind betroffen.

    Und selbstverständlich Frauen in ihrem Recht auf Empfängnisverhütung und Familienplanung zu helfen.

    Internationale Hilfe-zur-Selbsthilfe-Projekte.

    Sehr, sehr gute Arbeit macht die Deutsche Stiftung Weltbevölkerung: dsw.org

  • Die Hauptsache ist, Entwicklungszusammenarbeit gibt es weiterhin.



    Svenja Schulze macht auch hier einen guten Job.



    Wenn sich allerdings der Begriff "Frauenprojekt" besser vermarkten lässt, als "feministisches Projekt", ist, bei gleichem Inhalt, eine Überschrift auch wieder veränderbar.



    Mir scheint z.B. das "Mädchenprogramm" von Plan sehr erfolgreich. Wenn die Kinder Unterricht erhalten ist es relativ egal, unter welcher Überschrift.



    Eine Solche Evaluation sollte Reaktionen auslösen, nicht Ignorieren.



    Trump ignoriert fortan das Problemfeld, er hat sämtliche Entwicklungsförderungsmittel gestoppt.



    Das bedeutet für uns mehr Verantwortung und das bedarf auch höherer Akzeptanz.

  • Die sogenannte Entwicklungshilfe war schon immer wenig effektiv und ganz viel verlogen. Angetrieben ist die offizielle Entwicklungshilfe von dem, was die Geber zu geben haben und geben wollen. Wofür und wie die Hilfen eingesetzt werden, dabei haben die Empfänger und sogenannte Zielgruppen am wenigstens zu sagen. Die Ausrichtung von Programmen und Projekten wird auf int’l Konferenzen und in bilateralen Konferenzen entschieden. Ausbaden müssen es dann die Zielgruppen, denen geholfen werden soll; die Armen, Kleinbauern, Frauen usw.

    Entwicklungshilfe dient mehr dem Nutzen der Geberländer. Walter Scheel, erster Entwicklungshilfeminister, sprach schon 1963 auf einer Afrikatagung der deutschen Wirtschaft von Hilfe vor allem als Selbsthilfe, da waren viele afrikanischen Länder noch Kolonien. Entwicklungshilfe ist oft die Fortsetzung der imperialen Erschließung von Märkten, heute für ausländische Investoren.

    Hilfreicher für die Armen in Entwicklungsländern wäre oftmals eine Veränderung der Wirtschafts- und Lebensweisen in den Industrie- und Schwellenländern und eine gerechtere Gestaltung der Weltwirtschaftsbeziehungen mit dem Ziel der Angleichung der Lebensbedingungen.