Zuständigkeiten in der Pandemiepolitik: Abgeordnete für mehr Macht für Bund
Rund 50 Bundestagsabgeordnete von CDU/CSU wollen dem Bund ermöglichen, Corona-Beschränkungen zu erlassen. Die Grünen wären dabei.
Norbert Röttgen, CDU
Derzeit sieht das Infektionsschutzgesetz vor, dass es Aufgabe der Länder ist, Corona-Schutzmaßnahmen zu erlassen und durchzusetzen. Die CDU-Abgeordneten Norbert Röttgen, Johann Wadephul und Yvonne Magwas kritisieren in einem Schreiben an ihre Fraktionskollegen die zunehmend uneinheitliche Auslegung der Maßnahmen von Land zu Land.
„Zuletzt und andauernd“ sei eine „Einigung auf gemeinsames Handeln nicht mehr möglich gewesen“, heißt es in dem Brief, mit dem die Abgeordneten um Unterstützung werben. „Dadurch wurde die Schwäche des Infektionsschutzgesetzes sichtbar, die darin besteht, dass dieses Gesetz nur die Landesregierungen zum Erlass von Rechtsverordnungen ermächtigt, mit denen die Ziele des Gesetzes erfüllt werden sollen, nicht aber die Bundesregierung.“
Der Bundestag müsse „diese Lücke im Infektionsschutzgesetz zügig schließen“, fordern die Abgeordneten. Ziel müsse sein, „dem Bund (zusätzlich) die selben Handlungsmöglichkeiten zu geben wie den Ländern, nämlich durch Rechtsverordnung die Durchsetzung der nationalen Ziele des Infektionsschutzgesetzes zu gewährleisten“. Die Abgeordneten riefen ihre Fraktionskollegen auf, bis Donnerstagmittag ihre Unterstützung für die Initiative zu signalisieren und sich beim Büro von Norbert Röttgen zu melden.
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Röttgen sagte der Zeitung Die Welt, die Initiative werde von 52 Abgeordneten von CDU und CSU unterstützt. Das Schreiben mit den Unterschriften sei an den Fraktionsvorsitzenden Ralph Brinkhaus (CDU) und den CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt versandt worden, sagte Röttgen weiter. Es gehe nicht darum, die Länder zu schwächen. „Es geht darum, dass der Bund überhaupt handeln kann.“
Auch Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt sprach sich für mehr Kompetenzen für den Bund aus. „Wir brauchen endlich ein einheitliches, gemeinsames und wirkungsvolles Vorgehen gegen die Coronakrise, einen radikalen Wellenbrecher, um die dritte Welle unter Kontrolle zu bekommen“, sagte Göring-Eckardt der taz. Weiteres Abwarten sei „unverantwortlich und gefährlich“. Die Ministerpräsidentenkonferenz habe es nicht vermocht, ein gemeinsames Vorgehen verbindlich zu verabreden. „Nun muss auf Bundesebene gehandelt werden.“ Der Bund habe die Gesetzgebungskompetenz im Bereich des Infektionsschutzes. „Wir fordern schon seit langen, dass der Bundestag die Maßnahmen beschließt.“
Die Diskussion darüber, ob mehr Kompetenzen in der Coronapolitik auf die Bundesebene verlagert werden sollen, schwelt seit Ende März. Kanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte in der ARD-Sendung Anne Will gesagt, die Länder müssten bei der Pandemiebekämpfung „nachlegen“. Sie kritisierte Lockerungsschritte und stellte zugleich in den Raum, dass der Bund über eine Änderung des Infektionsschutzgesetzes selbst die Initiative ergreifen könnte. Ein Regierungssprecher hatte am Wochenende erklärt, es werde überlegt, „ob und wie der Bund einheitliche Vorgaben machen soll, falls das Vorgehen der Länder nicht ausreicht“.
Der Deutsche Städte- und Gemeindebund zeigte sich skeptisch. Der Umweg über ein neues Infektionsschutzgesetz „löst nicht das jetzt akute Problem, dass wir schnell die dritte Welle brechen müssen“, sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg der Neuen Osnabrücker Zeitung. Zwar seien mehr Bundesbefugnisse für klare und einheitliche Vorgaben „wünschenswert“. Die dafür angepeilte Gesetzesänderung erfordere aber die Beteiligung des Bundesrates sowie Beratungen in den Gremien. „Das ist kurzfristig kaum darstellbar“, sagte Landsberg.
Am Montag will Merkel wieder mit den 16 LänderchefInnen über Corona-Maßnahmen beraten. Allerdings streiten sich Letztere noch über die Linie. Der Niedersachse Stephan Weil (SPD) wies Forderungen für einen kurzen und harten Lockdown zurück. Der Thüringer Bodo Ramelow (Linke) sprach sich gegen bundeseinheitliche Regelungen aus. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) hatte eine Verschiebung der Konferenz ins Gespräch gebracht, wenn die 16 Landeschefs keine klare Linie vertreten würden.
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